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Vorzugsschülerin blickt zurück

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Die Memoiren der großen Schauspielerin Erika Pluhar, „Am Ende des Gartens”, sind laut Untertitel „Erinnerungen an eine Jugend” und enden mit dem Anfang des Ruhmes der ungefähr 24jährigen und der Überlegung, „nie wieder Instrument in anderen Händen zu sein”. Das dürfte den Entschluß andeuten, sich von ihrem Mann Udo Proksch zu trennen - die gemeinsame Tochter Anna ist gerade zwei Jahre alt geworden.

Ungewöhnliche Begabung führt oft auf einen ungewöhnlich schwierigen Lebensweg. Schon in frühester Kindheit begann sie ganz spontan vorzuspielen, zu zeichnen und bald dichtend zu schreiben. Mit den Lehrern in der Schule hatte sie immer Glück, behauptet sie heute, psychologisch betrachtet wird es wohl hauptsächlich so gewesen sein, daß die Schule Glück hatte mit dieser besonders lerneifrigen Hochbegabten. Sie war und blieb eine der Besten, in der Volksschule, bei der mit Auszeichnung bestandenen Matura und nachher im Reinhardtseminar, von wo sie schon vor der Abschlußprüfung fest an das Burgtheater engagiert wurde, wie sie vermutet, dank ihrer verehrten Lehrerin Susi Nicoletti, deren Gatte Häussermann dort gerade Direktor geworden war.

Das ist die Sonnenseite eines Naturtalents, das seiner Natur gemäß absturzgefährdet bleibt. Der Schock der ersten Begel ist eine häufige Erscheinung, erst recht bei einer Übersensiblen wie ihr. Es folgte eine lebensbedrohliche, extreme Magersucht, Erika Pluhar war nur noch Haut und Knochen, blieb daneben aber ehrgeizig Klassenbeste, und je mehr man sie zum Essen drängte, desto ärger wurde ihr Ekel vor jedem Bissen.

Auch das ging mit Glück vorbei, dank einem Sommeraufenthalt auf dem Bauernhof. Man stellte „einen Teller frisch ausgebackener Kartof-fellaibchen neben sie auf den Herdrand. Wortlos”. Sie begann wieder zu essen. Es folgten lieblose Liebeserlebnisse, und bald regte sich nichts mehr bei ihr, „außer vielleicht ein aufseufzendes ,So, das wäre geschafft!'”

Und so ging das weiter, eher verdrießlich, aber unverdrossen. Kleine Bollen an der Burg und bereits beim „Jedermann” in Salzburg, zuweilen eine größere Aufgabe, samt den Anwandlungen des Selbstzweifels, wie bei allen echten Künstlernaturen. Erika Pluhar stellte von Anfang an die allerhöchsten Ansprüche an die Kunst und an sich selbst. Beispiele für das, was sie nicht wollte, kommen zur Sprache, nicht abfällig, streng sachlich: routinierte Textrhetoriker ohne innere Anteilnahme, Professionalismus ohne Ansprüche an sich selbst.

Da tritt eines Tages der plumpe, kleinwüchsige, von realen und utopischen Ideen strotzende Udo Proksch in ihr Leben, besitzergreifend wie immer und überall. Daß er eine hübsche Sekretärin auch als Geliebte konsumiert, daraus macht er kein Hehl, seine infame Offenherzigkeit fasziniert allseits. Er ist ein Freund von Erikas momentanem Freund, doch das macht ihm nichts aus. Er kann warten, und das muß er nicht lange. Der andere wird ausgetrickst, Udo geht nun in der Wohnung am Kohlmarkt ein und aus, kommt, liebt, bleibt weg, ist wieder da, man geht gemeinsam auf Reisen, dann läßt er sich lange nicht blicken, sie liebt und leidet, und eines Tages ist sie schwanger.

Ins Theater geht er grundsätzlich nicht, schreibt die Pluhar, er hat sie nie auf der Bühne gesehen. Auch weiterhin ließ er „oft so lange nichts von sich hören, daß sie sich um ihn zu ängstigen begann”.

Trotzdem gingen sie eines Tages „auf irgendein Standesamt und heirateten. Es war eine der freudlosesten Hochzeiten, die man sich vorstellen kann”. Die Entbindung verlief zunächst ohne Komplikationen, die kamen aber später. Sie lag hilflos in einem sorglos geführten Krankenhaus, Udo kam an, hob sie einfach aus dem Bett, trug sie ins Auto und brachte sie heim: „Dies war eine seiner nie vergessenen Taten der Mitmenschlichkeit.” Sie erwähnt auch, weit in die Zukunft, also in die Gegenwart blickend, ihren Besuch in der Strafanstalt Karlau, wo die heutige Diva eine Solovorstellung gibt, wohl ihm zuliebe. Udo Proksch sitzt in der ersten Beihe unter den Mithäftlingen. Nachzutragen wäre noch, als reziprokes Beispiel einer großen Liebe, ihre langjährige Freundschaft mit dem Dominikaner und grandiosen Kanzelredner Diego Götz, der sie vielleicht am besten verstanden hat, über alle stets bewahrte geistliche Distanzhinweg.

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