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Wachsendes Unbehagen mit einer virtuellen Welt

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Daß in Wien unlängst die Milch knapp wurde und die Steirer den Wienern ihr Hochquellwasser nicht nur lieb, sondern auch teuer machen wollen, wird wohl nur auf Alkoholika eingeschworene Zeitgenossen ganz kalt lassen.

Es sind Symptome dafür, daß die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, bei denen nur einer oder einzelne „an der Quelle" sitzen, gefährdet sein kann.

Die Publizistin Freda Meissner-Blau, regelmäßige Kolumnistin der FURCHE, nannte jüngst in Innsbruck in einem Vortrag mit dem Titel „Was bleibt von der Natur im Cyberspace?" weitere Beispiele für diese Bedrohung: daß nur fünf Firmen den weltweiten Getreidehandel beherrschen -eine davon mit einem Marktanteil

von 60 Prozent - und dafür sorgen, daß die Saat jährlich neu gekauft werden muß; daß die sogenannten Sieben Schwestern mit der OPEC den gesamten Erdölmarkt kontrollieren.

Viele Arten, zum Beispiel 1500 Gemüsesorten, seien vom Markt verschwunden, man arbeite auf das Züchten besonders leistungsfähiger Pflanzen und Tiere hin. Man bedenke, so Meissner-Blau, dabei aber nicht, daß zum Beispiel afrikanische Kühe, die man durch friesische Binder verdrängen wolle, gegen die Schlafkrankheit immun sind, die aus Europa kommenden Kühe aber nicht.

Meissner-Blau, von der Tiroler Landesrätin Eva Lichtenberger herzlich begrüßt, unternahm ihren Streifzug zum Thema „Das Global Village als Kampfplatz gegen Unrecht und Künstlichkeit" anläßlich der Präsentation des FlJRCHE-Dossiers „Wie Ti-

rol seine Umwelt schützt". Ihre Grundthesen: Wir leben in einer zunehmend künstlichen Welt - in Amerika sieht ein Zehnjähriger pro Tag rund fünf Stunden IT-Programme und rund fünf Minuten seinen Vater, mit 18 hat er 40.000 TV-Stunden mit 30.000 Morden hinter sich - und dürfen dabei nicht den Kontakt zur Natur verlieren. Wir dürfen auch nicht hinnehmen, was sich in der Gentech nik und Waffenproduktion tut.

Die ehemalige Galionsfigur der Grünen in Osterreich prangerte die ungleiche Verteilung der Güter der Erde

- das reichste Fünftel, zu dem Osterreich gehört, besitzt davon 80 Prozent, das ärmste Fünftel nur ein (!) Prozent

- an. Ein ökologisch vertretbarer Aus-

gleich erfordere in erster Linie mehr Bescheidenheit der reichen Länder, die ihr Energie-Budget drastisch reduzieren müßten, während die armen Staaten ihres verzehnfachen könnten.

Scharf kritisierte Meissner-Blau die Atomlobby, der sie Verschleierung und Beschönigung der Folgen von Tschernobyl vorwarf, zum Beispiel durch die Aussage eines Experten, eine gewisse Mehrbelastung durch Strahlung sei sogar gesund (da Menschen im Gebirge, wo eine höhere natürliche Strahlung vorkomme, eine höhere Lebenserwartung hätten). Der engagierten Umweltschützerin ist unverständlich, wie der Westen 350 Millionen Dollar für weitere Atomkraftwerke im Osten locker machen könne, während die Opfer von Tschernobyl, Mütter und Kinder, betteln gehen müssen, um Medikamente finanzieren zu können.

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