Frieden als Illusion?
FOKUSWas Frieden wäre – Marlene Streeruwitz: „Handbuch gegen den Krieg“
In ihrem „Handbuch gegen den Krieg“ beschreibt Marlene Streeruwitz die omnipräsente bellizistische Tiefengrammatik – und eine Alternative.
In ihrem „Handbuch gegen den Krieg“ beschreibt Marlene Streeruwitz die omnipräsente bellizistische Tiefengrammatik – und eine Alternative.
Schweden und Finnland wollen nun also nach mehr als zweihundert Jahren Neutralität dem nordatlantischen Bündnis beitreten – und selbst in der Schweiz werden Stimmen laut, sich der NATO anzuschließen. Die Ursache ist offensichtlich: Putins eklatanter Bruch des Völkerrechts, sein Angriff auf die Ukraine löst ein tektonisches Beben in der bisherigen geopolitischen Ordnung aus. Freilich war die internationale Stabilität stets nur relativ stabil, und der Krieg in Syrien – ein Stellvertreterkrieg – erscheint aus heutiger Sicht als Ankündigung, auch wenn viele bei den Bildern aus den zerbombten, zerstörten syrischen Städten weggesehen haben.
Doch den Krieg kann man nicht verdrängen. „Krieg ist das stabilste Modell, wie Geschichte gemacht wurde und deshalb die stabilste Institution in unseren Kulturen“, konstatiert Marlene Streeruwitz in ihrem eben erschienen „Handbuch gegen den Krieg“ (bahoe Verlag). Es ist eine Sammlung kurzer Texte über die Tiefengrammatik des Krieges – sehr zeitgerecht, denn Krieg scheint plötzlich für viele die einzige Lösung von Konflikten zu sein. Sie scheinen vergessen zu haben, was Krieg bedeutet: „Durch Krieg wird das Lebensrecht der Personen nicht anerkannt. Alle Vereinbarungen über die Grundrechte sind nichtig gemacht.“ Daher ist Krieg „Erpressung. Es ist Erpressung über den Wunsch, am Leben bleiben zu wollen. Leben zu können.“
Empathie mit Helden, nicht mit Leidenden
Was Krieg ist, erfahren die Menschen in der Ukraine an der eigenen Haut. Doch wenn der Krieg dort in den Nachrichtensendungen hier über die Schirme flimmert, ist das Action-Filmen zum Verwechseln ähnlich. Es animiert, sich wie gewohnt entspannt zurückzulehnen und zuzuschauen. „Krieg ist Unterhaltung“, schreibt Streeruwitz, eine mediale „Pseudolebendigkeit“, „sorgfältig marketingtechnisch betreut“. Doch zeigen die Bilder aus Mariupol und Charkiw Menschen mit realen Verletzungen, in realen Trümmerhaufen. Die Empathie der Zuschauenden freilich bezieht sich lieber auf die Helden als auf die Leidenden, meint Streeruwitz.
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