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Was nie verstummt…

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Begegnungen. Von Friedrich Sieburg. Rainer-Wunderllch-Verlag, Hermann Leins, Tübingen. 263 Seiten

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Begegnungen. Von Friedrich Sieburg. Rainer-Wunderllch-Verlag, Hermann Leins, Tübingen. 263 Seiten

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Meist geschieht gar nichts, wenn zwei Menschen sich begegnen. Sie stoßen sich aneinander, reiben sich, streiten sich, aber in den Tieien ihres Wesens bleiben sie von der Begegnung unberührt. Manchmal werden sie davon kleiner und noch enger. Aber dann gibt es Begegnungen in jedem menschlichen Leben, die dessen ganzes Dasein erschüttern. Begegnungen, die sich innerhalb von Sekunden ereigneten. Und die nie mehr verstummen können.

Von solchen Begegnungen handelt das neue Buch Friedrich Sieburgs. .Sie sind ein großes Glück“, sagt der Autor, „aber es brauchen nicht immer Menschen sein", fährt er fort. „Oft trifft man bei einer Wanderung einen Baum, der uns noch gefehlt hat. Und er steht für alle Zeiten in unserem Dasein. Oder es ist nur ein Lichtstrahl, der über den Weg gleitet, oder eine Lerche, die am Morgen im frühen Dunst hängt und jauchzt. Es kann aber auch sein, daß man einem Stück Geschichte begegnet, einer Figur, einem Schicksal." Friedrich Sieburg, berühmt geworden durch sein Buch „Gott in Frankreich", durch seine Schriften über Japan, Portugal, England, über Robespierre, als ein feinsinniger Schilderet und Porträtist bekannt, einer der besten deutschen lebenden Journalisten, läßt uns tėil- haben an solchen Begegnungen: mit einem Stück Geschicke, mit Figuren, mit Schicksalen.

Da ist Karl XII. von Schweden, der heimkehrt in sein Land, das um seinen Tod betet; da ist das traurige Schicksal einer kleinen französischen Schauspielerin, die in der Revolution die Göttin der Vernunft kreiieren muß und in der Kaiserzeit bei einer Vorstellung abstürzt. Da ist ein armer Koreaner in Soeul, der auf der Straße verhungert; da ist sein chinesischer Diener, der so höflich gegen alle Japaner ist, daß ein japanischer Soldat ihn eines Tages erschießt, weil er diese Art Spott nicht mehr ertragen kann. Da sind Kapitalisten, Bettler, Schmocks, Kranke, Gesunde, Dichter; da ist die heutige Zeit mit all ihren Wirrnissen. Immer ist es nur eine Sekunde, die der Verfasser schildert; nobel und melancholisch, wie es Menschen eigen ist, die überall und nirgends daheim sind. Eine Sekunde aber, die nie in seinem Leben verstummte.

Ein Buch für besinnliche Leser. Und für still« Stunden. Selbst eine Begegnung. Wie viele Bücher des gleichen Verlages, der mit diesem Buch sein 25jähriges Bestehen ankündigt. Das große Verlagsverzeichnis zählt eine Reihe von Schöpfungen Bergengruens auf, Sprangers Buch „Lebenserfahrung“, Ricarda Huchs Buch über die Romantik. Die Erinnerungen Speidels, des Generalstabschefs Remmels, finden sich neben dem berühmten Buch von Romain Rolland über Pėguy. Guardini hat seine Schriften, „Uber das Wesen des Kunstwerks’ und „Vom Recht des werdenden Menschenlebens“, im gleichen Verlag erscheinen lassen. Buchtitel steht neben Buchtitel, kündend von einer 25jährigen sorgsamen Verlagsarbeit, fast jedes Buch in seiner Art eine Begegnung, .ein großes Glück“, das nie verstummt.

Dr. Raimund Schiffner

Vom Trost der Kunst Von Hans Werner Hegemänn. Verlag Josef Knecht. Carolusdruckerei, Frankfurt am Main.

Der schlanke, schön ausgestattete Band ist glücklicherweise keine gelehrte kunstgeschichtliche Arbeit, sondern der interessante, dankenswerte Versuch, klassische Meisterwerke der Kunst in Bildwiedergabe und einfühlender Schilderung und als erhebende, beglückende Labsal des Gemüts und als Fest des Auges zu eigen zu geben. Es bleiben mithin die Ziele moralischer Einflußnahme und volksbildnerischer Belehrung beiseite; nur das edel Menschliche in den Kunstwerken soll zu aufgeschlossenen Menschen sprechen, die Kunst also so wirken, wie es die Künstler ohne Zweifel wollten.

Wir glauben daher, daß Hegemann in seinen kurzen Bildinterpretationen die Kunstwerke richtiger und besser aufschließt und Wesentlicheres für die Allgemeinheit leistet als jene Vivisektionen der Kunst, bei denen der Forscher methodisch analysierend bis in die Struktur der Werke und zu den Absichten der Meister vorzudringen meint und nicht merkt, daß hiebei das Kunstwerk sich vor den Augen des Publikums nicht erhellt und nicht Leben gewinnt, sondern systematisch getötet wird. Man kann so Kunstwerke als Objekte der Zergliederung benützen, ohne je von ihrem Geiste berührt worden zu sein.

Sie verdienen aber Besseres als Zergliederung, nämlich verständnisvolle, nachempfindende Liebe; sie können mehr geben als rationale Erkenntnisse, nämlich tiefste Beglückung. Zu dieser weist Hegemanns Buch den Weg. Heinrich Decker

Wien. Von Bruno Grimschitz und Erwin Meyer. Kunstverlag Wolfram, Wien.

Ein neues Wiener Schaubuch mit 154 Vollbildern in Großoktav. Künstlerisches Sehen hat die Auswahl der Motive bestimmt. Blatt für Blatt spürt man den erlesenen Geschmack, der ob dieser Wiener Bildsammlung waltete. Um nur einiges zu nennen: Die Aufnahmen von der Höhenstraße, vom Messegebäude, dem Beethoven-Haus, aus dem Wiener städtischen Kinderheim, den Wiener Vororten — das sind Darbietungen, die jedes schönheitsliebende Auge erfreuen müssen. Die nichtssagende Aufnahme, die unter dem Titel „Industriebetrieb figuriert, ist wohl nur durch ein Versehen in die prächtige Bildabfolge geraten. Der repräsentative Band ist augenscheinlich nicht zuletzt füi den fremden Besucher Wiens bestimmt, der sich ihn wie ein Gedenkbuch und eine neue Einladung, •ich in die Schönheit dieser Stadt wieder zu versenken, mitnehmen soll. Die dreisprachige Beschriftung der Bilder unterstreicht wohl diese Widmung. Schade, daß die vierzehnseitige textliche Einbegleitung, die es versteht, die Elemente des Wiener Kulturbildes meisterhaft zu schildern, einsprachig geblieben ist. Dr. Friedrich Funder

Buch der Psalmen. Nach der neuen Fassung. In deutscher Sprache von Carl Johann Perl. 2. Auflage. Styria, Steirische Verlagsanstalt, Graz-Wien 1951.

Diese Psalmenübertragung mit gegenüberliegendem lateinischem Text (Psalterium Pianam) ist als religiöses Gebrauchsbuch gedacht. Am Ende finden die meisten Psalmen noch eine kurze Erklärung, die vor allem den Schriften des hl. Augustinus entnommen ist. C. J Per), der sich als Augustinus-Übersetzer einen guten Namen erworben hat, bringt hier eine Übertragung, die im allgemeinen sehr gut lesbar und treu ist, vor allem aber das Bestreben zeigt, von den modernen Menschen verstanden zu werden. Sie ist daher ein wenig freier als die Romano Guardinis: hie und da wird ein Wort eingefügt oder ausgelassen, manchmal kommen Textumstellungen vor, und nicht selten findet Perl ein Wort oder eine Wendung, die durch ihre Frische auffallen. Daß der Bearbeiter nicht die Absicht hatte, auf den hebräischen Urtext zurückzugreifen, wird nicht nur ehrlich zugegeben, man bemerkt es auch an der Übertragung selbst. Trotzdem glauben wir, daß mehrere Stellen eine richtigere und kräftigere Wiedergabe gefunden hätten, wenn Perl dem hebräischen Substrat mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Gewisse biblische Begriffe, die einen fest umschriebenen Inhalt haben, kommen durch eine „moderne“, aber flachere Übertragung nicht zur Geltung, .wie zum Beispiel pars calicis, lumen vultus, mnocentiam, cli- peus usw. Ebenso ist es fraglich, ob das Zeitwort „redde richtig mit „gib zurück" übersetzt wurde (Ps. 7, 9). Auch sind noch einige Druckfehler stehengeblieben, wie Ps. 9, 36 peccaris und Ps. 59, I restituo. Aber das sind Kleinigkeiten, die den eigentlichen Wert dieser Leistung kaum berühren.

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