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Was wird aus dem Konzil?

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Was wird aus dem Konzil? Diese Frage wird dem gestellt, der nach kurzem Aufenthalt aus der Konzilsstadt wieder zurückgekehrt ist. In dieser Frage schwingt viel mit, skeptische Neugier, ehrliches Wissenwollen, gläubiges Interesse, aber auch manche bange Sorge. Was wird aus dem Konzil? Diese Frage muß sich auch der- stellen, an den sie oft von anderen gerichtet wird. Diese Frage durchzieht die Gespräche in Rom, Gespräche mit Konzilsvätern, Beobachtern und Journalisten ebenso wie Gespräche mit Gläubigen hier und dort, mit Halb-, Rand- und Unchristen in West und Ost, in Europa ebenso wie in Afrika, in Amerika und Asien. Dies allein könnte schon jener Äußerung eines berühmten Mannes recht geben, der in dem Konzil das wichtigste Ereignis des 20. Jahrhunderts sehen will.

Was ist das Konzil? Eine Versammlung des Papstes und der Bischöfe, ein Generalappell der katholischen Kirche, ein Meilenstein in der Entwicklung des Christentums? Das Konzil ist alles das und noch Viel mehr, das Konzil ist eine Angelegenheit, die heute die ganze Welt angeht, alle Menschen, auch die Menschen, die sich dessen noch nicht bewußt sind, deren Interesse noch nicht bis zur Schwelle des Bewußtseins vorgedrungen ist, auch die, die es belächeln, die es bekämpfen. In einer Welt, die hart am Rande der physischen Vernichtung lebt, in der um Machtpositionen und Einflußsphären gekämpft wird, die am Materialismus verhungert und im Materialismus erstickt, ist schon die Tatsache dieses Konzils ein Triumph des Geistes. Das ist mit voller Absicht gesagt, auch wenn das, was auf und um dieses Konzil sich tut. gewiß nicht immer Ausfluß reinen Geistes oder gar des Hl. Geistes ist. Wer wird das Menschliche, das mit der Kirche in dieser Welt immer verbunden ist und das sich auch beim Konzil und gerade beim Konzil zeigt, übersehen wollen.

Das Konzil ist der Beweis für die Kraft des Geistes, auch dann, wenn es sich herausstellt, daß dieses Konzil noch nicht einmal die Kraft gefunden hat, seine technischen Schwierigkeiten zu überwinden, es ist ein Zeugnis des Geistes, der den Weg weist, auch dann, wenn dieses Konzil heute noch oft im Kreis zu gehen scheint, es ist Unterpfand des Geistes, des Friedens, auch wenn heftig diskutiert wird, der Eintracht, auch wenn dort Meinung auf Meinung prallt, der Zuversicht, auch wenn viele verdrossen scheinen, des Fortschritts, auch wenn die Kräfte der Beharrung entscheidende Positionen halten. Das Konzil ist schließlich auch Beweis für die Kraft des Geistes der Einheit der Kirche, auch wenn vieles, was an radikalen neuen Vorschlägen nach außen dringt, die Sorge jener nicht unberechtigt erscheinen läßt, die sich fragen: ,,Was würde dann aus der Einheit der Kirche?“ Die Kirche ist vieles, sie ist auch ein Organismus, der in seinem Haupt und in seinen Gliedern lebt. Kein Organismus kann ohne Haupt, aber auch kein Haupt ohne die Glieder leben. Je kräftiger sich die Glieder rühren, desto rascher kreist das Blut. Die Kirche dehnt sich und streckt sich. Das schmerzt vielleicht manchmal in den Muskeln, das knackt in den Gelenken, das spannt die Haut, aber es kräftigt schließlich den Körper und es macht den Kopf klarer und freier.

Dieses Konzil ist das Konzil des Papstes, stärker vielleicht als je ein vorhergehendes Konzil. Er hat die Idee empfangen, er hat dieses Konzil proklamiert, zu nicht gerade immer freudigem Erstaunen vieler seiner engsten Mitarbeiter, er hat es einberufen, etwas zu früh, wie es manchen scheint. Der Papst hat schließlich mit seiner Eröffnungsrede diesem Konzil die Parole der Hoffnung und der Zuversicht vorangestellt, er hat die Bedenken der Kleingläubigen verscheucht, den finsteren Griesgram der Pessimisten in seiner nächsten Umgebung durchbrochen. Die Welt ist nicht schlecht. Was sich in ihT an Neuem bewegt, ist nicht das Böse, nur muß die Kirche Antwort geben auf die Fragen der Zeit, sie muß hören können und sie muß reden können in der Sprache der Welt, in der Sprache der anderen. Der Papst ist die große Hoffnung dieses Konzils, sein hohes Alter, die Auswirkungen der großen Anstrengungen auf seinen Gesundheitszustand, das sind die Sorgen des Konzils. Dabei hat der Papst dieses Konzil niemals zu beherrschen versucht. Er war bei den Sitzungen der Vorbereitungskommissionen nicht anwesend, er läßt die Konzilsväter bei ihren Beratungen allein. Niemand sollte sich durch seine Gegenwart beeinflußt fühlen, gehemmt oder ermuntert. Die absolute Freiheit des Konzils wird von ihm mit Ehrfurcht, Eifer und Strenge gewahrt. Es spricht für den Realismus dieses Mannes, wenn er vor der Eröffnung des Konzils sagte, daß niemand, auch er selber nicht, wisse, was aus diesem Konzil werde, welchen Weg dieses Konzil einschlage, wie es seine Aufgabe technisch bewältigen werde, wie die Beratungen eines Gremiums, das in der Geschichte der Kirche, aber auch in der Geschichte der Welt kein Vorbild hat, sich entwickeln würde.

Und das ist nun die eine, große Sorge, die viele bedrückt, die manche unsicher und wenige auch verdrossen macht: Das Konzil hat seinen Arbeitsmodus noch nicht gefunden. Es tastet noch, es tritt noch auf der Stelle. Die rein technische Bewältigung des Verfahrens ist ihm noch nicht geglückt. Natürlich ist das Konzil kein Parlament, aber es hat ebenso wie ein Parlament die Aufgabe, Meinung zu bilden und Mehrheitsbeschlüsse zu fassen, in einer Frist, die dem Zeitgefühl der Geeen-wart angemessen ist. Wie soll es seine Aufgabe erfüllen, wenn jeder der nahezu zweieinhalbtausend Teilnehmer gleichberechtigt ist, wenn es keine Fraktionen gleicher Meinung oder gleicher Territorien gibt und sie gewiß vielfach auch nicht geben soll. Wenn nun zu jeder Frage — und in jedem Schema gibt es viele, viele einzelne Fragen — nur 500 der 2500 Bischöfe sprechen und jeder nur zehn Minuten, dann wird dieses Konzil in absehbarer Zeit nicht zu Ende kommen.

Was wird aus dem Konzil? Diese Frage ist zuerst einmal eine technische Frage. Wie und wann wird das Konzil den notwendigen und ihm angemessenen Modus finden? Heute stellt sich die Sachlage so dar: Den Generalkongre-gationen werden die Schemata vorgelegt, die von den Vorbereitungskommissionen erarbeitet und von der Zentralkommission begutachtet worden sind. Die Vorschläge und Einwände, vor allem jene der Zentralkommission, sollten vor der endgültigen Vorlage bei dem Konzil Berücksichtigung finden. Schon das scheint nicht immer der Fall gewesen zu sein, denn sonst wäre zum Beispiel das Schema über die Quellen der Offenbarung bei der Generalkongregation nicht auf eine so massive Ablehnung gestoßen. Durch eine nicht sehr geschickte Fragestellung mußten dann die Konzilsväter, die zu diesem Schema „Nein“ sagten, mit „Ja“ (Placet) stimmen. Da aber positive Beschlüsse nach der Konzilsord-mmg nur mit einer Zweidrittelmehrheit gefaßt werden können und dazu 105 Stimmen fehlten, hätte das Konzil über eine von der großen Mehrheit abgelehnte Vorlage verhandeln müssen, hätte nicht der Papst eingegriffen und das Schema an eine von ihm neu gebildete Kommission zurückverwiesen.

Die Vorlage wird einer Art ersten Lesung unterzogen, bei der jeder Bischof im allgemeinen und auch zu einzelnen Fragen seine Meinung äußern kann. Wenn die Generalkongregation die allgemeinen Grundzüge des Schemas gutheißt und die einzelnen Punkte durchbesprochen hat, geht die Vorlage mit den Ergänzungs- und Abänderungsvorschlägen an die Kommission, die die einzelnen Vorschläge in einer Neufassung einzuarbeiten versucht. Es kann sein, daß sich auch die Kommission nicht auf einen gemeinsamen Text einigt, daß sie daher ein Mehrheitsund ein Minderheitsvotum faßt. Der neue Text mit den von der Kommission vorgenommenen Ergänzungen geht nun wieder zurück an das Plenum und hier kann nun wieder jeder einzelne Bischof dazu Stellung nehmen. Inzwischen hat das Konzil bereits ein neues Schema in Arbeit genommen, so daß oft in einer Sitzung mehrere Schemata

— natürlich in Teilen und Bruchstücken

— zur Verhandlung stehen. Daß das die Übersichtlichkeit nicht fördert, ist klar. Wohin soll das nun führen? Man spricht von 60 oder 70 Schemata, die dem Konzil vorgelegt werden sollen, deren schriftliche Grundlage die Konzilsväter, zumTeil zumindest, noch gar nicht kennen. Und bisher wurde praktisch ein einziges Schema durchbesprochen, das über die Liturgie. Die außerordentlich lange Pause zwischen dem Abschluß der ersten Session am 8. Dezember und dem Beginn der zweiten im September 1963 läßt vermuten, daß in der Zwischenzeit eine Konzilsordnung ausgearbeitet wird, die ein übersichtlicheres, rascheres und zielstrebigeres Verhandeln erhoffen läßt.

Nun meinen Kenner der Materie, daß das Problem nicht ganz so schlimm wäre, als es den Anschein habe. Man müsse auch hier gewisse Menschlichkeit in Rechnung stellen. Es sei verständlich, daß in den Anfängen eines solchen historischen Ereignisses, wie es das Konzil darstellt, Wortmeldungen besonders zahlreich wären, daß jede Diözese ihren Gläubigen gern melden möchte, daß ihr Bischof das Wort ergriffen habe.' Um diesem sehr begreiflichen Publizitätswillen einen Riegel vorzuschieben, trage das Konzilspresseamt. iO heißt es zumindest, sich mit der Absicht, in den Bulletins die Namen der Redner in Zukunft nicht mehr zu vermerken. Zum anderen, so sagt man jedenfalls, behandelte die erste Vorlage ein Thema, das der. Liturgie, zu dem sich besonders viele berufen glaubten ihre Meinung zu äußern, da ja mit der Liturgie sich jeder Bischof befassen muß und wo er gewiß auch sehr konkrete Ansichten habe. Wenn der Reiz des Neuen vorüber, wenn die Materie diffiziler werde, so meinen die Kenner, würden auch die Wortmeldungen weniger werden.

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