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Weg durch den Dschungel

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Es wird schwerer und schwerer, sich im Irrgarten der modernen Jugendbuchproduktion zurechtzufinden. Eine unüberschaubare Masse von Halbheiten und Albernheiten ergießt sich besonders gegen Jahresende auf den Büchermarkt, erschwert die Auswahl, verwirrt die Käufer und verbildet die jungen Leser. Zum Problem des Massenramsches tritt das gefährliche Ucbergewicht des Technischen-Abenteuerlichen über das .Geistig-Besinnliche: man muß beispielsweise etwa hundert moderne Märchenbücher lesen, um eines von dichterischem Rang und bleibendem Wert zu finden. Die Armut der Phantasie flüchtet in die abstrusesten Symbole und Stile, in kindische Naturrabülistik ohne Scherz und tiefere Bedeutung.

Den. unterzeichneten Beurteilern lag ein Vielfache* von. dem schließlich, einer kritischen oder anerkennenden Erwähnung würdig Befundenem vor. Viel Tand und Sand mußte einfach beiseite geschoben werden, um halbwegs klare Sicht zu gewinnen — ohne Verlust; morgen kräht kein Hahn danach. Auch vom Uebriggebliebenen mag nur weniges bestehen, aber vielleicht erfüllt es in Zeit und Tag einige Aufgaben.

Eine Tugend aus der Not machen, könnte man die auffallende Erscheinung nennen, daß selbst katholische Verlage, angesteckt vom Fieber der Technik und des Abenteuers, hinter der Mode noch das Erregende des modernen Weltbildes und das 'Erzieherische der charakterlichen Bewährung suchen.

Dies gilt etwa für den Benziger-Verlag, Einsiedcln-Zürich-Köln, der in Rudolf Egers „Mister

Edison zaubert“ (8.90 sfr.) und Georg Rudolfs „Daimler und Benz erfinden Motorrad und Auto“ (f.90 sfr.) in der Tat eine neue geistige Dimension des Technischen gewinnt. Mit zwei ausländischen Märchen von Gemüt und Tiefsinn, John F. Leemings ..Claudius, der Huminelkönig“ und dem zweiten finnischen Märchenband Tove Janssons, „Sturm im Mumintal“, beweist der Verlag, daß man auch mit Erfolg gegen den Strom schwimmen kann.

Gleiche Tugend aus der. Not repräsentieren zwei Neuerscheinungen • von Her d e .r, . W i e n, und Herder, F r e i b u r g : Oswald Piawenns weltoffener Pionierroman „Der Manitou im Harnisch“ (gemeint ist Champlain, der friedliche Eroberer Kanadas) und Friedrich Bpers lehrreiche und unterhaltsame (reich illustriert?), kleine Schiffskunde „Alles, über ein Schiff“.

Wo alles liebt. . . kann S t y r i a. Graz-Wien-Köln, dicht .hassen, Die drei Erstlinge einer- neuen Reihe „Abenteuerliche, Welt“...sind wohlgeraten, obwohl-auch .sje die Fahne der „Flucht in die Ferne“ hissen. Herbert Kaufmanns „Der verlorene Karawanenweg“ ist der Vorzug vor Heinz Hartmanns „Pelztierjäger in Kanada“ und „Diamantensucher in Tanganjika“, zu geben. Das äußere Kleid (der. schmucke Glanzkarton) erinnert irgendwie, an die unverwüstlichen Andermann-Bücher.

Wilhelm-A n d e r m a n n-Verlag. München-Wien, scheint uns nach wje vor eine Nasenlänge voran ,zu sfin. Möglich, daß sich, die schier unerschöpfliche Gknzkartonreihe langsam totzulaufen beginnt, immerhin liegen wieder „Brentano-Märchen“ und „Götterdämmerung“ (je 19.20 S) vor und reiten die Haus-

dicluer Hans Thür, Hugo Kocher, Fritz Heike u. a. munter ihre bewährten Steckenpferde. Daneben aber ist mit Helga Pohls zwei-Erstlingen einer neuen Serie („Spiegel der Welt“) wieder ganz Neues, Erfolgversprechendes entdeckt: „Tonio und sein Esel“, besser als „Flip fliegt durch Paris“ (je 39.50 S), sind zauberhaft illustrierte („Tonio“ sogar von Leonard Matt) Geschichten und „Führer“ zugleich von Rom Und Paris. Hier lernt ein junger Mensch genießend Geographie, Kultur- und Kunstgeschichte. Die zwei Rasselbande-] ahrbücher, für Buben „Männer — Fahrten — Abenteuer“ und für Mädchen „Glückliche Jahre“ (je 39.50 S) haben sich trotz des herben Charmes ihrer nördlichen Sprache auch in Oesterreich eingelebt. Dagegen tänzeln vier neue „Andermänner“, die keiner -„Reihe“ angehören, an der berühmten „mittleren Linie“ jenes Durchschnittes, der allenfalls auch entbehrlich schien: Karl Springen-schmids „Kleiner tapferer Jörn“, Marianne Abels „Parole: Keks“, D. V. S. Jacksons „Evelyn reitet ins Glück“ und Brigitte Altenaus „Ferien im Zoo“ (38.50 und 39,50 S).

Das hohe Lob, das an dieser Stelle in den letzten Jahren schon mehrmals den „Wunderhornbüchern“, des Verlages Eduard Wancura, Wien-Stuttgart, gezollt wurde, darf auch heuer wiederholt, nein: muß noch lauter, herzlicher gesungen werden. Nach dem „Turinpeter“ griff man ein zweitesmal auf Margarete. Seemanns mit der Dichterin nicht gestorbene innige Märchenphantasie: auch in „Der weiße Vogel“ lebt und webt ewige, heitere und traurige Poesie (unwahrscheinlich schön:'„Das Fischerkind“!).' Eine zweite Hausdichterin, Hilda Knobloch, reiht ihren vier großen Erfolgen einen fünften, vielleicht den größten, an mit der Nachzeichnung der Dachsteintragödie „Die strengen Berge“ (Der „Gams-martin“ ist eine richige Anzengrube“-Gestaltr). Neben zwei lebendigen Mädchenbüchern „Das Mädchen' von Louisiania“ von Ernst Joseph Görlich und' Gunnel Jacobssons „Die kleine Träumerin“ gibt es noch eine originelle kleine Kulturgeschichte des Sichbewegenden: J. G. Lettenmairs „Gehen, Fahren, Fliegen“.

Sauberen Durchschnitt, nicht weniger und nicht mehr, bringt der Hermann-Sehaffstein-Verlag, Köln, mit Wilhelm Matthiessens „Flucht aus Anatolien“, Ursula Melchers „Renate und Bill in Schanghai“, Halvor Flodens „Die .Wölfe' und die' Nachbarskinder“ und Mimi Boltons „Karlas Reise mit'dem Karussell“ (DM 4.50 bis 5.80).

Ueber dem Durchschnitt: Ernst Joseph Görlichs zeit- und milieudichte Erzählung aus dem Kinder-kreuzzug „Die Flotte der Verratenen“ (Aren a-Verlag, Würzburg).

Carl-U eberreute r-Verlag, Wien-Heidelberg, stellt mit Denis Clarks „Der schwarze Blitz“ ein prachtvolles Tierepos, eines der besten Tierbücher der letzten Jahre; mit Barbara Rings „Peik“ eine, anregende norwegische Bubengeschichte, mit Adrienne Thomas' „Markusplatz um vier“ aber eines . der schwächsten Kapitel im Werk der „Katrin“-Dichterin.

Zuletzt, aber beileibe nicht im letzten Rang, fungiert der Verlag H a 11 w a g, Bern-Stuttgart-Wien, mit Band V! seines hier oft gerühmten Buben-Jahrbüches „Columbus“. Dieser „Columbus“ ist seinen W'eg gegangen, hat (zwischen alter und neuer Kultur) seinen Stil entwickelt; sein Vokabular reicht von Mozart bis Romexpreß, von Spiel bis Sport, von der Steinzeit bis zur Atomzeit. Dieser „Columbus“ entdeckt jährlich eine „neue Welt“.

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