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Weiberwirtschaft" als Alternative zur Mannerwelt

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Uber 1.000 Frauen gaben in der Traunseestadt ein starkes Le-benszeichen der immer wieder totgesagten Frauenbewegung.

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Uber 1.000 Frauen gaben in der Traunseestadt ein starkes Le-benszeichen der immer wieder totgesagten Frauenbewegung.

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Was so manchem Katholiken den Schauer liber den Riicken treibt, war auf der Ersten Europaischen Frauensynode eine Selbstverstandlichkeit: Hier wurde ein Gott gelobt, der sich nicht durch mannliche Attribute auszeich-net. Im Gmundner Toscana Congress-Zentrum herrschte ausgelassene Auf-bruchsstimmung. 1.040 Teilnehmer-innen aus 45 Landern der Welt Strom -ten nach Oberbsterreich, um hier eine Woche lang zu referieren, zu disku-tieren, Kontakte zu kniipfen, Erfah-rungen auszutauschen und Liturgien zu feiern.

Das Bild, welches sich dem Re-trachter auf der Synode prasentierte, war vielfaltig. All jene, die bloG Aus-schau hielten nach „typischen" Femi-nistinnen in violettem Outfit, wurden enttauscht: von Frauen in weiGer Or-denstracht und in Dirndlkleidern bis hin zu geblumten logins mit engen Tops, fetzigen Jeans und T-Shirts in den modischen Signalfarben reichte der bunte Reigen.

Der Weg zur Ersten Europaischen Frauensynode war lang. Schon 1992 hat man mit den konkreten Vorberei-tungsarbeiten in den jeweiligen Landern begonnen. So verglich denn auch Martina Heinrichs aus Deutschland, Mitglied des internationalen Vorbe-reitungsteams, das Zustandekommen der Synode mit einer schmerzvollen Geburt.

„Gemeinsam gilt es EinfluG zu nehmen auf den Gang der Geschich-te zur Verbesserung der Verhaltnisse zugunsten von Frauen, Kindern und Mannern. Wir wollen der Vision vom Reich Gottes ein Stuck weit naher kommen", so formulierte Heinrichs ihr Anliegen fiir die Veranstaltung.

Um Veranderungen zu bewirken, ist es zunachst notwendig, den Status Quo von Gesellschaft und Kirche zu analysieren. Dies geschah in den tag-lichen Hauptreferaten und Workshops. Folgende Gebiete wurden be-leuchtet: Politik, Wirtschaft, Spirituality und Identitat. Die Qualitat der Vortrage war unterschiedlich und zeigte die Randbreite dessen, was feministische Schwerpunkte sein konnen.

Regeistert aufgenommen wurde das Referat der evangelischen Theo-login und Sozialethikerin Ina Praeto-rius mit dem Titel „0konomie denken jenseits der androzentrischen Ordnung". Schon der Regriff Wirt-

schaft", wie er im alltaglichen Sprach-gebrauch verwendet wird, vermittelt den Eindruck, es handle sich dabei um ein „eigenstandiges Segment der Gesellschaft, in das man eintreten kann - und das man oft zwangsweise und gegen den eigenen Willen - wieder verlaBt". Indes schlug Praetorius ein

Praetorius klar. Der ethische MaO-stab, an dem alles gemessen werden soil, ist das „gute Leben aller".

Das gute Leben aller Synodenteil-nehmerinnen hatten auch die 76 Or-ganisatorinnen im Rlick, die tiber 8.500 Stunden ehrenamtliche Arbeit leisteten. Die Geldmittel zur Finan-

Alternativkonzept vor, das sie selbst „Weiberwirtschaft" nannte und ein Schritt zur Uberwindung mannlicher AusschluBmechanismen darstellen soil. So bevorzugte die in der Schweiz lebende Referentin eine Definition von Wirtschaft, die „alle Mafinah-men weltweit zur Deckung der Be-diirfnisse von Menschen (von Geburt an) umfaBt, also Beschaffung, Vertei-lung und Verbrauch von Mitteln zum Leben." Dadurch sollte sichtbar ge-macht werden, daB Frauen welt-

weit zwei Drittel aller Arbeit ver-richten.

Praetorius' Kritik richtete sich vor allem gegen die 1995 in Peking abgehaltene Welt-frauenkonferenz, die in ihrem Bericht nur am Rande die Frage stellt, ob es denn der richtige Weg sei, Frauen „mit einem politischen Kampf um noch mehr Arbeit noch mehr Arbeit aufzubiirden." Es gehe aber nicht um eine Aufwertung traditioneller Weib-lichkeit, sondern um ein Aufbrechen der klassischen Muster von effizient-offensiver Mannlichkeit und liebe-voll-pflegender Weiblichkeit, stellte

zierung der Synode muBten groBteils selbst beschafft werden. Durch den Verkauf von T-Shirts (mit dem Auf-druck „Frauen bewegen Europa"), von Postkarten, Plakaten, Saften, Schnapsen und Figurinnen konnte ein Teil der Ausgaben abgedeckt werden. Insgesamt 200 Holzfigurinnen in MenschengroBe waren in Gmun-den entlang der Hauptstrafie aufge-stellt und zum Erwerb angeboten worden. Offen-sichtlich war dies einigen Personen ein Dorn im Auge: So wurden die Figurinnen in der Nacht gezielt beschmiert, die unbekannten later verwendeten Schablonen in Penisform. Michaela Moser, Pressesprecherin der Synode, bezeichnete diesen Vorfall als „klassi-sche Beaktion einer mannerzentrier-ten Kultur auf weibliche Kreativitat und weibliche Autonomic".

Das Schweigen der offiziellen kirchlichen Vertreter zur Frauensyn-ode kann auch als eine Art von Beaktion interpretiert werden. So entsen-dete nur der Linzer Bischof Maximilian Aichern eine GruBbotschaft an

die Veranstalterinnen. Dennoch war das einfache Glaubensvolk - insbe-sondere Frauen der romisch-katholi-schen Kirche - auf der Synode stark vertreten.

Refragt nach der Motivation, an der Synode teilzunehmen, meinte eine katholische Theologiestudentin aus Linz, daG man hier Grundla-gen und Visionen sammeln konne fiir ein eigenes Engagement in der Kirche. In be-zug auf ihre spatere Tatigkeit in einer Pfarre konne sie sich hier Perspektiven aneignen, wie man eine sinnvolle Arbeit mit Frauen, die iiber das traditionelle Angebot hin-ausgeht, gestalten konnte. Die Idee, sich zu „vernetzen" - ein zentraler Regriff auf der Synode, mit dem das regionale sowie das in-ternationale Kontakte-kniipfen unter Frauen , gemeint ist —, schien H auch der Linzer Stu-dentin wichtig.

Der Gedanke, ein weltweites Netzwerk zu spannen, wurde als erstes Ziel der Frauensynode bereits erreicht. So entstand zum Bei-spiel wahrend der Woche eine Plattform namens „WOW" (Women's Ordination World Wide), eine weltweite Plattform, welche die Offnung des Priesteramtes fiir die Frau in der rbmisch-katholischen Kirche for-dert.

Wahrend dies in feministischen Kreisen bereits.eine altbekannte For-derung ist, mag der Gedanke an eine katholische Priesterin bei anderen dazu fiihren, daG ihnen buchstablich die Haare zu Berge stehen. Diese Kluft gilt es ernstzunehmen.

In einer Besolution wenden sich die Teilnehmerinnen gegen „den sy-stematischen AusschluB von Frauen von Leitungsfunktionen in Kirchen und Gesellschaft" und fordern, daG Frauenorganisationen, die an einer gewaltfreien Gestaltung der Gesellschaft arbeiten, alle notwendige Un-terstiitzung bekommen.

Die Effektivitat der Ersten Europaischen Frauensynode darf nicht nur an den schriftlich festgehaltenen Forderungen gemessen werden, sondern daran, ob es den Frauen vor Ort gelingt, ihre in Gmunden gewonne-nen Erkenntnisse im Alltagumzuset-zen. Spatestens bei der nachsten Europaischen Frauensynode im Jahr 2002 wird Mann und Frau aber ein Resumee ziehen konnen.

Die Autorin ist

freie Journalistin in Linz.

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