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Weiblichkeit, Revolution und Emanzipation

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Kleidung wurde immer schon auch als Nachrichtenträger eingesetzt. Wie man sich an- zieht, schmückt, schminkt, tätowiert, ja den eigenen Körper umformt oder umformen läßt, durch enge Gürtel, Mieder, hochhackige Schuhe, durch Fit-Trimmen oder sogar mit dem Chirurgenwerkzeug, sagt eine Menge über die jeweilige Person aus.

Die seit Jahren an verschiedenen deutschen Universitäten wirkende österreichische Mode- und Kostümexpertin Ingrid Loschek nennt in ihrem Buch „Mode, Verführung und Notwendigkeit“ (F. Bruckmann, München, 1991) eine lange Liste von Bereichen, auf die sich diese Nachrichten durch die Kleidung beziehen. Mit den verschiedenen Formen und Strategien der Aussehensveränderung werden nicht nur die auf Zeitgeschmack, Sitte, Religion und politischer Gesellschaftsform beruhende äußere Lebenshaltung ausgedrückt. Damit wird vor allem auch die/jeweilige Person ins gewünschte Licht gerückt. So etwa zeigen imponierende Details in Kleidung und Schmuck die eigene Macht, Stärke, Potenz. Man signalisiert damit erotische Anziehungskraft oder macht klar, welche politischen Anschauungen man vertritt.

Beispiele dafür gibt es in allen Epochen, berichtet die Kostümhistorikerin und Theaterwissenschafterin im Gespräch mit der FURCHE, deren Publikationen - darunter eine Kulturgeschichte der Mode und ein Mode- und Kostümlexikon - heute zu den Standardwerken in diesem Bereich zählen.

Besonders interessant wird Mode dort, wo man es wagt, aus dem Rahmen zu fallen. In der Vergangenheit war das teils auch mit Strafen verbunden. Das galt etwa für Personen der niedrigeren Stände, die die strengen ständischen Kleiderordnungen übertraten, die im Mittel- alter in Europa herrschten. So war es keiner Frau geraten, eine längere Schleppe zu tragen als es ihr sozialer Stand erlaubte.

Viele dieser alten Schranken wurden im Zuge von Revolutionen oder Kriegen zu- mindestens zeitweise beseitigt. So überrascht es nicht, daß jene Frauen, die während der Französischen Revolution um mehr Freiheit — für die unteren Stände und für ihr Geschlecht - kämpften, ganz bestimmte Kleider anzogen. So trugen die Arbeiterfrauen, die sich aktiv am revolutionären Geschehen beteiligten, die gleichen Phrygischen Mützen wie die Männer und wesentlich kürzere Röcke als bis dahin üblich gewesen.

Die politisch engagierte Bürgerin hingegen brachte ihr Engagement dadurch zum Ausdruck, daß sie die dekolletierten, verspielten Rokokokleider ablegte und in Gewänder maskulinen Zuschnitts schlüpfte: in Kostümjacken, die wie Militäruniformen _ geschnitten waren, in strenge Herrenmäntel, in Männerhemden und -hüte. Laut Bericht des Korrespondenten für das damals renommierte „Journal des Luxus und der Mode“ aus Paris am 20.10.1792 war das Außere der revolutionären Bürgerinnen durch und durch „sachlich, männlich und emanzipiert“. Ja sie trugen, wie der Berichterstatter vermerkt, sogar „Män-

ner-Schuhe“!

Dieser Trend zum Maskulinen war für die um ihre Emanzipation kämpfenden Frauen auch sonst charakteristisch, schildert Ingrid Loschek. „Die Frau mußte, um ernstgenommen zu werden, sei es in der Politik oder im Beruf, auch jenes Ernsthaftigkeit ausstrahlende Äußere des Mannes annehmen.“ „Femi- nistin“ sei daher eine eher unpassende Worterfmdung. Passender wäre „Maskulinistin“.

Tatsächlich fielen zu jenen Zeiten, in denen Frauen besonders „ihren Mann stellten“, die langen weiblichen Haare und die unpraktischen einengenden Kleidungsstücke, die etwa die bürgerliche Frau des 19. Jahrhunderts stark bei ihren Außenkontakten behinderten und sie auf das traute Heim einschränkten.

DIE HOSE ALS SYMBOLWERT

Einzelne Frauen wie die Schriftstellerin George Sand nahmen sich immer wieder die Freiheit, Männerkleider zu tragen. Der Symbolwert der Hose ist in diesem Zusammenhang sehr groß. Ebenso jener von flachen Schuhen und weiten lockeren Gewändern oder den Zigarillos, die Sand zu rauchen pflegte.

Die Hose war in Europa seit jeher ein Emanzipationsutensil, berichtet die Kostümforscherin. Schon im 15. Jahrhundert hieß es: „Wer die Hosen anhat, hat im Haus das Sagen“. Und auch die Karrierefrau unserer Tage trägt vorzugsweise dieses längst nicht mehr als männlich empfundene maskuline Kleidungsstück.

Auch dafür, daß Frauen durch die von ihnen zur Schau getragene Kleidung selbst verändert wurden, gibt es viele Belege. Die ersten Radfahrerinnen, die im späten 19. Jahrhundert damit begannen, bei der Aus

übung dieses Sportes kniekurze Pumphosen („Bloomers”) zu verwenden, nahmen darin innerlich und äußerlich eine andere Haltung ein als wenn sie die damals aktuellen Kleider mit enggeschnürter Taille und langem Rock trugen. Erstmals tauchten nun Bilder von weiblichen Wesen auf, die lässig angelehnt ihre Hände in die Taschen stecken. Eine Verhaltensweise, die für Mädchen noch lange streng verpönt war und oft gerade als Protest gegenüber Tra- ditionen und Einengungen besonders herausgestellt wurde.

An den Vertreterinnen der Parlamentsparteien sind recht unterschiedliche Bekleidungsstile festzustellen. Legere Wollpullover einerseits und perfekter Business-Stil andererseits bei den Politikerinnen zeigen, wieviel Anschauung und Kleidung miteinander zu tun hat und welche vielfältigen Wechselwirkungen es da gibt.

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