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Weihnachten kann kommen

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Josef sollte wenigstens hierorts zum längst fälligen Bannerträger der letzten Männerrechte erhoben werden.

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Josef sollte wenigstens hierorts zum längst fälligen Bannerträger der letzten Männerrechte erhoben werden.

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Ich hatte sie doch gerade erst verpackt. Jede einzelne hatte ich, draußen war’s düster und Jänner, in Seidenpapier gewickelt und in die Schachtel verstaut, wo sie ein Jahr lang warten sollten. Und nun krame ich die Figuren aufs neue hervor, denn draußen ist’s schon wieder düster und Dezember, und das Jahr, das anfangs so lang zu sein schien, war in Wirklichkeit so kurz.

Als erstes stecke ich die kleine gemütliche Krippenlampe an die Batterie. Letztere ist quecksilber- und cadmiumfrei, es ist wohl das mindeste, was ich der heiligen Familie schuldig bin in dieser umweltfeindlichen Welt. Die heiligen Könige sind die nächsten, die ich aus ihrem Sommerschlaf hole, obwohl ihnen noch mindestens vierzehn Tag Ruhe zustünden.

Doch schon als Kind hatte ich sie gleich zu Beginn der stillen Zeit ganz hinten, da wo die Ebene von Bethlehem in die Schneeberge der Salzburger Alpen übergeht, in Warteposition gestellt, sie gehörten ein fach dazu. Ausländerfeindlichkeit, man sieht’s, war schon damals und ist auch heute meine Sache nicht, noch dazu, da die drei Weisen, wie sie heute vermutlich deshalb heißen, neben Weihrauch und Myrrhe für die Duftlampen auch touristisches Gold bringen.

In den hellsten Schein des Lämpchens plaziere ich dann das Kind. Mit dem kleinen Pinsel, den ich eigens diesem Zweck gewidmet habe, fahre ich ein paarmal über die Kanten und Biegungen des gesegneten Strohs, denn da waren noch einige Staubreste vom letzten Jahr.

Mir fallen Worte ein, die der Mensch, der hier als Baby liegt, später als Erwachsener sprechen wird. Sie wurden uns überliefert, und heu te zitiert sie mancher, um damit Unfug zu treiben. Doch Pinsel, die solchen Staub wegfegen, gibt’s wohl nicht.

Den heiligen Josef stelle ich heuer näher als sonst zum Licht. Mir scheint, daß er der eigentliche Held der Szene ist. Aber während Maria längst Anerkennung zuteil geworden ist, steht es um seine Verehrung nicht gut. Zölibatären Männern, die sie in die Wege leiten könnten, geht eben nicht in den Kopf, was der Mann an Überwindung hatte aufbringen müssen. Und die Frauenministerin wird sich um diese Frage kaum kümmern.

Da aber Feministinnen kein Ohr- waschel rühren, wenn in manchem Stellenangebot, der gebotenen Ge- schlechtemeutralität zum Trotz, Sitzkassierinnen gesucht werden, „innen“ im Wortinnem nicht einmal mit großem I, und da in manchen indischen Bundesstaaten die vom Matriarchat gepeinigten Männer aussichtslos den Aufstand proben, sollte wenigstens hierorts Josef zum ohnehin demütigen, längst fälligen Bannerträger der letzten Männerrechte erhoben werden. So rücke ich denn auch das kleine Schaf etwas weiter als letztes Jahr nach vorne, hole Ochs und Esel aus der dumpfen Ecke des Stalles in die Glorie der Engel, und die Palme, normalerweise hinter der ärmlichen Hütte angesiedelt, wächst heuer im Vordergrund, auch wenn das althergebrachte Bild meiner Krippe durch all das ein wenig ins Schleudern kommt.

Der drangsalierten Schöpfung sollen sie Sinnbild sein, um die sich, weil ihre Sorgen woanders angesiedelt sind, so wenige Befugte und Berufene kümmern.

Der alte Hirte, ansonsten Schlußlicht einer Schar junger Senner, steht in diesem Jahr an deren Spitze. Er nimmt, es wird ihn freuen, hier ganz bestimmt mehr als 2,8 Prozent der Fläche ein.

Ganz oben schließlich schwebt ein Spruchband, dem ich in meinem aktualisierten Bild die Rolle der Kommunikationsmedien zuteile. ORF und Zeitungen symbolisiert der hier zu lesende Jubelruf quasi gleichzeitig. Ich überlege, sehe keinen Grund au irgendeiner Reform und lasse den Text, wie er ist. Weihnachten kann kommen.

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