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Wendepunkt der Kirchengeschichte

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War schon die Tatsache der Einberufung des Konzils eine Nachricht, welche die Welt aufhorchen ließ — gab es doch in den vergangenen vierhundert Jahren nur zwei Konzilien —, so wurde die Kirchenversammlung selbst zu einem Wendepunkt in der Kirchengeschichte. Mit dem Zweiten Vatikanum hat Johannes XXIII. nicht nur eine innere Erneuerung der Kirche und ihre Anpassung an die Gegenwart ermöglicht, sondern auch jene Türe zu den nichtkatholischen Christen geöffnet, welche jahrhundertelang immer verschlossen schien. Der Papst wollte mit dieser Kirchenversammlung kein Einheitskonzil schaffen, sondern wollte vorbereiten, was spätere Generationen ernten werden. Die Freizügigkeit, mit der er die Konzilsväter einerseits arbeiten ließ, und das Durchgreifen, mit dem er anderseits in notwendigen Fällen nicht zurückhielt, ließ seine Persönlichkeit mitten innerhalb und gleichzeitig über dem Konzil stehen.

Der Anwalt des Friedens

Kurze Zeit später schien die Welt von der Möglichkeit eines atomaren Weltkrieges bedroht. Die Kubakrise

ängstigte die Menschheit und schien Anlaß einer kriegerischen Auseinandersetzung der beiden Machtblöcke zu werden. Auch in dieser kritischen Stunde versuchte der Papst zu vermitteln und richtete am 25. Oktober einen Friedensappell an die Staatsoberhäupter. Die Bemühungen des Heiligen Vaters um den Frieden trugen ihm den Dank der Weltöffentlichkeit ein. Das große amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ wählte ihn zum Mann des Jahres 1962, am 1. März 1963 wurde ihm der internationale Balzan-Friedenspreis einstimmig verliehen, der ihm am 10. Mai in feierlicher Zeremonie überreicht wurde. Am 27. April schlug die Universität Sao Paolo den Papst für den Friedensnobelpreis vor ...

Johannes XXIII. scheute sich auch keineswegs, heiße Eisen der Politik anzufassen: fiel es auf, daß sich unter den eingelaufenen Glückwunschtelegrammen zu seinem 81. Geburtstag und zum Jahreswechsel auch Depeschen Chruschtschows befanden, so war es bereits eine von den Zeitungen allerdings recht aufgebauschte Sensation, als dem Schwiegersohn des

AUS „MATER ET MAGISTRA“

PAPST JOHANNES XXIII.

Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne Grulj und Apostolischen Segen

1. Mutter und Lehrmeisterin der Völker ist die katholische Kirche. Sie ist von Christus Jesus dazu eingesetzt, alle, die sich im Lauf der Geschichte ihrer herzlichen Liebe anvertrauen, zur Fülle höheren Lebens und zum Heile zu führen. Dieser Kirche, der „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3, 15), hat ihr heiliger Gründer einen doppelten Auftrag gegeben: Sie soll ihm Kinder schenken; sie soll lehren und leiten. Dabei soll sie sich in mütterlicher Fürsorge der einzelnen und der Völker annehmen in ihrem Leben, dessen erhabene Würde sie stets hoch in Ehren hielt, Uber das sie wachte und das sie beschützte.

2. Christi Lehre verbindet ja gleichsam Erde und Himmel; sie er-fafjl den Menschen in seiner Ganzheit, Leib und Seele, Vernunft und Willen; sie führt seinen Sinn von den wechselvollen Gegebenheilen dieses irdischen Lebens zu den Gefilden des ewigen. Dorf soll er einmal unvergängliche Seligkeit und Frieden geniehen.

3. Die heilige Kirche hat so zwar vor allem die Aufgabe, die Seelen zu heiligen und ihnen die Teilnahme an den himmlischen Gütern zu schenken. Sie bemüht sich aber auch um die Bedürfnisse des menschlichen Alltags. Dabei gehl es Ihr nicht nur um das Lebensnotwendige. Sie kümmert sich auch um der Menschen Wohlstand und Wohlergehen in den verschiedensten Kulturbereichen, so wie es jeweils die Zelt erfordert.

4. Damit verwirklicht die heilige Kirche den Auftrag Christi, ihres Gründers. Dieser meint vor allem das ewige Heil des Menschen, wenn Er einmal sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben* (Jon. 14, 6), und bei anderer Gelegenheit: „Ich bin das Lieht der Welt“ (Joh. 8, 12). Wenn Er aber beim Anblick der hungernden Menge bewegt ausruft: „Mich erbarmt des Volkes“ (Mark. 8, 2), zeigt Er, wie sehr ihm auch die irdischen Bedürfnisse der Völker am Herzen liegen. Diese Sorge beweisen im Leben unseres göttlichen Erlösers nicht nur Seine Worte, sondern auch Seine Taten. So hat Er, den Hunger der Menge zu stillen, mehrfach wunderbar das Brot vermehrt.

5. Mit diesem Brot, dem Leib zur Speise gegeben, kündigte Er jene himmlische Seelenspeise zeichenhaft an, die Er „am Abend vor Seinem Leiden“ den Menschen geben wollte...

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