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Wer und wie war Emmanuel Bove?

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Die Spurensuche nach dem weltberühmten Erzähler Emmanuel Bove, der in viele Sprachen übersetzt wurde, ins Deutsche unter anderem von Peter Handke, war nicht leicht. Der eine der beiden Autoren von „Emmanuel Bove Biographie”, Raymond Crousse, Literat und Regisseur, brachte sich zudem mitten in der Arbeit um. Sein Schüler Jean-Luc Bitton hat sie vollendet; 1994 kam sie in Paris heraus und liegt nun deutsch vor.

Das Schicksal des Erfolgsschriftstellers spielte sich so verwickelt ab, daß der Bericht als Erfindung einen Kolportageroman ergäbe. Emmanuel Bove (1898 bis 1945) hieß eigentlich Emmanuel Bobovnikoff und kam in Paris als Sohn eines jüdischen Russen und einer deutschsprachigen Luxemburgerin zur Welt. Der Vater entwarf die kühnsten Pläne für immer neue Unternehmungen, die aber ausnahmslos danebengingen. Chronischer Geldmangel daher und häufiger Wohnungswechsel, eine Delogierung nach der anderen, weil die Miete nicht bezahlt wurde. Um 1910 zog der Vater zu einer reichen Engländerin, ohne die Familie ganz zu verlassen. Emmanuel hatte einen jüngeren Bruder, Leon, nun bald auch einen Halbbruder, Victor, und lebte abwechselnd beim Vater oder bei der Mutter.

Entsprechend unregelmäßig verlief seine Ausbildung. Während des Ersten Weltkrieges beendete er seine Schulzeit in England, kam 1916 nach Paris zurück, hatte vor, Erzähler zu werden und betätigte sich als Kellner, Taxifahrer und so weiter, hauptsächlich, um praktische Erfahrungen für sein geplantes Romanschreiben zu sammeln. Zwischendurch war er einen Monat in Haft; wahrscheinlich hatte ihn sein russischer Familienname verdächtig gemacht. Ab 1918 absolvierte er drei Jahre Militärdienst und lernte Suzanne Vallois kennen, die später seine erste Ehefrau wurde. Eine Zeitlang lebte das Paar in Osterreich, er begann, seinen berühmtesten Roman, „Mes amis” zu konzipieren, lebte aber von rasch hingeworfenen Trivialromanen, die er unter Pseudonym veröffentlichte. 1925, wieder in Paris, arbeitete er journalistisch und wurde von der Colette entdeckt. Nach dem Riesenerfolg seines Romanerstlings wurde auch Rilke auf ihn aufmerksam und besuchte Bove in Paris.

Da war er schon längst geschieden - Tochter Nora war 1922, Sohn Michael 1924 zur Welt gekommen. Er sorgte aber für die Familie, erhielt außerdem Mutter und Bruder Leon, die grundsätzlich nie arbeiteten. 1950 heiratete er die jüdische Bankiers -tochter Luise Ottensooser, wurde wiederholt preisgekrönt, im Kriegsjahr 1940 aber kurzzeitig in eine Gießerei eingezogen. 1942 flüchtet er vor der deutschen Invasion zuerst nach Süd-frankreich, dann nach Algier, immer Werk auf Werk schreibend. Schwer leidend unter den Folgen einer Malaria, kehrte er bereits 1944 nach Frankreich zurück und starb 1945 in Paris. Es sind die absurden Einzelheiten, die nicht nur seinen Lebenslauf romanhaft machen, sondern auch die seltsamen Schicksale seines reichen Werkes.

Nach dem Tod des Autors gerieten die weitverbreiteten Romane für Jahrzehnte jäh in Vergessenheit. Erst allmählich, nachdem eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen erschienen war, erlebte das Lebenswerk von Emmanuel Bove seit den achtziger Jahren eine späte Renaissance.

Eingeleitet wird diese Biographie durch einen Brief an Jean-Luc Bitton von Peter Handke, der - wiewohl gerade auf Reisen - das Buch ständig mit sich führt und darin liest, denn, so Handke, es „kann einen über das Leben und die Arbeit (und die Tragödie) eines schreibenden Menschen einiges lehren”.

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