6550838-1947_42_01.jpg
Digital In Arbeit

Wider den Pessimismus

Werbung
Werbung
Werbung

Zwei Gattungen von Menschen reden jetzt gerne vom Krieg. Da sind die einen, die mit dem Gedanken an den Krieg spielen, weil sie sich von ihm Vorteile erhoffen. — Dann sind die anderen, und ihrer sind viele, die vom Morgen bis zum Abend vom Krieg sprechen, weil sie voll Furcht und nicht dessen gewahr sind, daß sie mit dem Kriegsgerede denen helfen, welche die Menschen daran gewöhnen möchten, einen neuen Krieg als unvermeidlich zu halten. Diese zweite Gattung ist die unschuldigere und zugleich die gefährlichere, weil sie imstande ist, ihre Furcht wie eine Ansteckung weiterzutragen. Die letzten dreißig Jahre haben die Menschen durch so viele Schluchzten des Grauens getrieben, daß viele geneigt sind, selbst das größte Verbrechen und die wildeste Narrheit, einen dritten Weltkrieg, als naheliegend anzusehen und in dem zukünftigen Geschehen zwischen dem Schmettern der Atombomben schon die Posaunen des Jüngsten Gerichtes hören zu müssen glauben. Man muß immer wieder sagen, daß in einer Lage, wie sie die Gegenwart darstellt, in der es soviel auf Geduld, Stand-haftigkeit und gesunde Nerven ankommt, Pessimismus zu den schlimmsten Feinden der Menschen zählt; er lähmt den Tatwillen und führt in die Niederlage, vor der er sich fürchtet. Dem Pessimismus hat kürzlich im Schweizer Ständerat der < Chef des Politischen Departements, Bundesrat Petit-oierre pin kräftiges Wort enf.i&#187;M?eTM&#187;£ste11t:

„Kann man, da die Zukunft dunkel ist, die tragische Möglichkeit eines neuen Krieges auch nicht ausschließen, so muß man sich doch dem Gedanken der Unvermeidbarkeit des Krieges widersetzen. Es ist ein steriler und gefährlicher Gedanke, um so mehr, als, wie ich glaube, heute kein Volk und keine Regierung die Absicht oder den Wunsch hat, sich in einen neuen Krieg zu stürzen, der eine Art kollektiven Selbstmords wäre.“ Aber da sind die andern: Seht doch den Ost- und den Westblock, schier unabänderliche politische Tatsachen, also Gegensätze, die schließlich nicht anders als im entscheidenden Zusammenstoß gelöst werden können! — An die zwei Erscheinungen, die das Blockgerede zu begründen scheinen, den Marshall-Plan, zu dem auch heute noch die Oststaaten eingeladen sind und ohne Verlust ihres Ansehens ihren Beitritt vollziehen können, weil sie an der offenen Pforte die Glückwünsche von .vier Fünftel der Menschheit empfangen würden, und an die Gründung der neuen Komintern, deren öffentliche Wiederaufrichtung ja doch nur das offen vorzeigt, was bisher schon dem Wesen nach effektiv war, die überstaatliche zentral gele;tete Zusammenfassung kommunistischer Aktion, haben sich dieselben polemischen Übertreibungen geknüpft, demselben Mißtrauen und derselben verbitternden gegenseitigen Entfremdung pnf^nmnppn 7.nrürkcrpkphrr von der

Generalversammlung dei UNO, aus den heftigen Konferenzgefechten, deren er eben in Lake Success Zeuge gewesen war, faßte dieser Tage der belgische Ministerpräsident Spaak seine Eindrücke mit ' vernehmlich freundlicher Betonung in einem nach Moskau adressierten Urteil zusammen: Wenn Sowjetrußland sich zu einem Kompromiß verstehen würde, so würde es bald erstaunt sein, wie groß die Zahl der, Staaten ist, die dann mit ihm stimmen würden, denn es ist nicht wahr, daß Europa in zwei Blöcke geteilt sei. — In der Tat ist die große Staatsmacht des Ostens zugleich als Wirtschaftsmacht, Verkäufer und Käufer, ein so unentbehrlicher Faktor im Wiederaufbau Europas, daß mit dem Tage, an dem die politischen Rivalitäten zu schweigen beginnen und die Beziehungen der Staaten sich normalisieren können, diese Ostmacht in ein&#171; völlig neue Rolle für den Kontinent aufrücken wird. Wer wollte es unternehmen, den Moskauer Staatslenkern zuzumuten, daß sie dies nicht wissen und gewaltsame Lösungen erstreben, die auch ihnen nichts anderes bringen können als nur Verwüstungen, neues Blutvergießen und nach einer neuen Katastrophe Probleme von nicht zu ermessender Tragweite? Böse Konflikte ideologischer und sehr materieller Natur sind vorhanden, die schwere Crux aller Völker. Eine schwerere Last, als man auch in der Voraussicht annahm, daß jeder Teilnehmer an dem mit ungeheuren eigenen Opfern erkauften Siege bei der Abräu-mungsarbeit nach dem Weltbrande aus den Trümmern für sich möglichst viel herausholen werde. Aber diese Teilung kann vernünftigerweise kaum mit einem neuen Großfeuer enden, in dem auch noch das verkohlen würde, über dessen Teilung man gestritten hat. Das ist doch wohl immer die schlechteste und immer in die Irre führende Politik, die von dem andern Mangel an Zielbewußtsein voraussetzt. Dies gilt auch für das viele Geschwätz um den „eisernen Vorhang“, der etwa unser Land in zwei getrennte politische Räume zerlegen könnte. Selbstverständlich könnte dies nicht geschehen, ohne daß an einer solchen Trennung auch der südliche Nachbar Steiermarks und Kärntens von seinem Freunde seinen leidenschaftlich begehrten Teil empfange. Das heißt, daß von diesem Staate ein tödlich verstümmelter Rumof überbliebe, um den dasselbe tragische Schicksal sich erneuern würde, an dem sich 1838 mit der unerbittlichen, diesem Fleck Erde innewohnenden Gesetzlichkeit der zweite Weltkrieg vorbereitete. Weil aber dieser Erweis deutlich genug demonstriert worden ist, widerspricht as der politischen Raison, unter den Partnern an dem europäischen Kräftespiel dem einen oder dem andern Konzepte zuzumessen, a^i deren Ende die allgemeine Bankrotterklärung für Europa stehen würde. Solange die Vernunft in Euopa nicht abgedankt hat, wird es nichtphantastisch veranlagten Gemütern widerstreben, sich den Propheten des Unterganges anzuschließen.

Was ist für uns Österreicher zu tun? Es wird immer wieder und mit allen Mitteln einer klar gerichteten Politik die Freiheit und der Wille Österreichs zu einer neutralen, durch keine Hintergedanken bestimmten neutralen Haltung zu erweisen sein, einer

Politik, die der Verständigung und dem Frieden dienen will. Das Beste aber, das zu tun ist: Man mache in den beiden Staatsparteien nichtsnutzigem Parteiengezänke ein Ende und zeige durch eine geschlossene österreichische Front jedermann, daß alle Spekulation auf Zwietracht, Spaltung und Isolierung umsonst ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung