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Widmung an eine osterreichische Kulturtat

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In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts trafen sich Österreich und Nordamerika in einer Berührung, die zu außerordentlicher kulturgeschichtlicher Bedeutung erwachsen sollte. Der Anregung des Genera!vikars der Diözese Cincinnati, Friedrich Rese, eines Hannoveraners, folgend, hatte im Frühjahr 1829 der Kardinalerzbischof von Olmütz bei Kaiser Franz die Gründung einer Stiftung zur Unterstützung der sich mühselig aus ärmlichsten Verhältnissen aufwärtsringenden katholischen Missionen in Nordamerika in Vorschlag gebracht. Noch im gleichen Jahre waren die ersten Aufrufe zum Beitritt an die österreichische Bevölkerung hinausgegangen; mit großem Schwünge setzte die „Leopoldinenstiftung“ — genannt nach der jung verstorbenen Lieblingstochter des Herrschers, der Kaiserin Leopoldine von Brasilien — mit ihrer Tätigkeit einj der erste österreichische Priester, der dem Werberuf in die amerikanische Mission folgte, war der junge Gutsbesitzer Friedrich Baraga aus Treffen in Krain, der nach Vollendung seiner juridischen Studien an der Wiener Universität Kaplan in seiner Heimat geworden war; er war aus dem Kreise Clemens Hofbauers gekommen, eine Predigt Zacharias Werners hatte in seiner Seele die Berufung geweckt. In dem noch stark josephinisch gestimmten Klerus der Laibadier Diözese war 6eine hochgestimmte Natur, die sich selbst und Hab und Gut dem erwählten Berufe zum Opfer brachte, auf viele Hindernisse gestoßen. Al6 ihn am 21. Juni 1829 der Aufruf der Leopoldinenstiftung traf, sah er in ihm eine Weisung zu seinem Lebensziele. Zunächst von Bischof Fenwick nach Cincinnati berufen, hatte er sich zunächst einer missionarischen Schulung und sprachlichen Ausbildung zu unterziehen, aber dann stürzte er 6ich — ganz auf sich gestellt, zu den Chippewayindianern im Norden des Michigansees entsandt — mitten hinein in eine Sendung. Sein erster Arbeitsplatz sind die Biberinsel und die östlichen Ufergebiete. Bald beherrscht er die Sprache seiner Indianer, denen er das Evangelium bringen soll, macht sich an eine Grammatik und später an ein Wörterbuch der Chippewaysprache, verfaßt Bücher für die Lesekundigen, dehnt seine Missionsstationen entlang den Westgestaden des Obersees aus, wird für das heidnische Indianervolk Apostel und Pionier, der sie den Ackerbau lehrt, sie anleitet, ihre Wigwam6 mit gesunden Hausanlagen zu vertauschen und der sie gegen die Beraubung durch weiße Terrainspekulanten und Ausbeuter aller Art verteidigt. Ihn schrecken nicht die Strapazen der Wildnis, die Todesgefahren in winterlicher Urwaldeinsamkeit, die Anschläge verhetzter Eingeborener. Die Indianer haben sich verleiten lassen, ihr fruchtbares, an Holz, Kupfer, Eisen und Fischen reiches Land in dem Vertrag von 1842 gegen Reservationen am Mississippi zu vertauschen, und auch aus der Chippewaysiedlung We-gua-dong, sollten die Indianer vertrieben werden; aber Baraga hatte durch eine eigene Erwerbung von 496,70 Acres Land vorgebaut, und er konnte dem überglücklichen Stamm in seinem „Baraga country“ die Heimat retten. In seinem Wirken als Vater der roten Söhne der Wildnis, als Kirchen- und Schulerbauer steht ihm die heimatliche Leopoldinenstiftung bei, die, soweit die junge Einwanderung sich dehnt, vielfältigen Segen um das Seengebiet und weltum verbreitet. Schon sind an vielen Plätzen österreichische Redemptortsten, der große Prediger und Missionär Weninger und andere Österreicher tätig, so daß der Wiener Domherr Dr. Salzbacher, der im Auftrage der Leopoldinenstiftung die von ihrem Wirken befruchteten Gegenden 1842 bereist, in Wien mit großer Genugtuung von den festgestellten Leistungen berichtet und besonder* ehrend Friedrich Baragas gedenkt. In der Tat kann Erzbischof Dr. Francis Patrick Kenrick als Vorsitzender des ersten Nationalkonzils der amerikanischen Bischöfe in Baltimore einige Jahre später berichten, daß innerhalb eines Vier'eljahrhunderts die Zahl der Gläubigen von einer halben Million auf das Vierfache stieg, die Zahl der Priester sich verzehnfachte, nahezu 2000 Schulen und höhere Lehranstalten, Spitäler und Waisenhäuser geschaffen wurden. Mit Worten tiefer Dankbarkeit gedachte der Erzbisd;of in ausführlicher Rede des „herrlichen Vereins der Leopoldinenstiftung, in der der Reiche von einem Überfluß, der Arme aus seiner Notdurft mit freudigem Herzen aus den verschiedenen Nationen des österreichischen Kaiserstaates zu der Glaubensverbreitung beitrage“. Die Väter des Konzil hielten es „für ihre Pflicht, den Mitgliedern und Förderern de Leopoldinenvereins zu danken“. — Da6 damals aufblühende katholische Schulwesen wurde das Fundament der heutigen Stellung des Katholizismus in den Vereinigten Staaten. Der Anteil Friedrich Baragas an der Christianisierung der Indianer fand 1853 seine höchste Anerkennung durch seine Weihe zum Bichof der Diözese Upper-Michigan, einer Neugründung für die Friedrich Baraga erst die primitiven Existenzbedingungen unter den bittersten eigenen Entbehrungen zu schaffen hatte. In dem letzten Brief, den er in eine Heimat schrieb, bittet er inständig um Hilfe, „so bedürftig wie jetäit“ sei er noch nie gewesen. Schwer verwand er als Bischof sein Heimweh nach seinen Indianermissionsgemeinden, namentlich nadi der Station L'Anse, in der er aus einem von Trunksucht und allen Lastern verpesteten Fleck Erde, aus einer verkommenen Indianer- und Ansiedlerbevölkerung ein fleißiges, zufriedenes christliches Völkchen gemacht hatte, das von dem Ertrag seiner Äcker und dem durch Baraga geschaffenen und gemeinsam bearbeiteten Gemeindebesitz lebte. Doch ihm war es anders beschieden. Die Kräfte des kühnen Pioniers waren in fast vierzigjährigem Verströmen verzehrt. AI der Bischof am 19. Jänner 1868 starb, trauerten die Chippewayindianer im ganzen Ufergebiet des Obersees von der Zuckerinsel bis Sault Ste Marie, und selbst der Häuptling der „Kurzohren“, der sich mit seinem Stamme auf dem Weg nach dem Unteren Michigan befand, nahm an der Begräbnisfeier teil, obwohl die meisten eines Stammes nicht Christen waren. In seiner Trauerrede rief Peter White, der Bürgermeister von Marquette, dem Bischof die schönen Worte in das Grab nach: .Wir betrauern aus tiefstem Herzen den Verlust des Mannes, der uns wahrhaft ein Vater war. Wir alle sind verwaist, seitdem er nicht mehr bei uns ist. Er hat ich aufgeopfert und bis zum letzten ausgegeben, als unsere Heimat Upper-Michigan noch öder Grenzwald war, in dem der Pelztauschhandel die einzige Verbindung zwischen Weißen und Roten bildete Er predigte und wirkte, während die Wälder fielen und der Goldstrom der Weizrnböden seinen Anfang nahm. Er erbarmte eich aller Armen und Unterdrückten, al6 Sdiulen und Kanäle, Straßen und Bahnen gebaut, Bergwerke erschlossen wurden. In den Jahrzehnten, die das Antlitz unserer Heimat entscheidend änderte, sorgte er unentwegt für Schulen und Kirchen, Erziehungs-stätten und Waisenhäuser. Wieviel er davon gründete, vermag ich als Nichtkatholik nicht zu sagen. Aber Ich weiß, daß, wie ich in Land kam, kaum etwas bestand. Und all sein Tun bestimmte wahre Nächstenliebe. Mit ihr besiegte er jeglichen Haß. Seines Lebens Großtat ist die Liebe.“ Schon ein Jahr nach dem Tode Friedrich Baragas veröffentlichte sein Krainer Landsmann Dr. Leo Voncina eine Schilderung seines Lebenswerkes; dieser Biographie ist eine reiche, bis in die jüngste Zeit heraufreichende Literatur gefolgt, an der österreichische, slowenische und amerikanische Autoren beteiligt sind, Nun hat L. G. Bachmann den reichen historischen Stoff, der durch den Namen Friedrich Baraga und die Leopoldinensiiftung bezeichnet ist, zum Thema einer großen Romanschöpfung gemacht. Ihr Werk ist zu einem Ehrenbuche Österreichs geworden, denn es hält in einer außerordentlich eindrucksvollen Darstellung die Erinnerung an eine der edelsten, österreichischem Wesen und Schaffen entsprossenen Kulturtaten mit der Entrollung dieses Kapitels au der Kultur- und Missionsge6chichte Nordamerikas fest. Wenn die Verfasserin ihre Arbeit als Roman bezeichnet, so deshalb, weil sie die bewegte Stilform des Romans für die Entrollung des großen historischen, aus vielen erhaltenen Quellen, von ihr geschöpften Stoffes gewählt hat. Ihrem Werke kommt der Vorzug zu, daß sie ihren Helden und die geschichtliche Leistung des österreichischen Volkes und der Leopoldinen6tiftung in das große weltliche Geschehen der damaligen Zeit, den beginnenden Aufbruch Nordamerikas zum großen Industrie- und Handelsstaat, plastisch hineinstellt. Bunt wechseln mit den Bildern de6 Missionslebens unter den Indianern die Szenen aus einer in Gigantische wachsenden Erwerbswelt, in der sich die Millionenvermögen der Industriekönige formen, Raffgier und Ausbeutung Orgien feiern. Vor dem Leser entrollt sich die Begründung des amerikanischen Welthandels in Pelzen und Fischen, das Treiben in den neuendeckten Kupfer- und Eisendistnkten und den Goldminen Heiliges und Unheiliges, herrlichstes christliches Opfer und die Hölle stehen nebeneinander. So eng verknüpfte die Darstellung das zeitlich Zusammengehörige und Ineinandergreifende daß sie es ohne Überleitung, ohne drucktechnische Trennung erzählerisch behandelt Wenn man den Wunsch äußert, es wären überflüssige englische Ausdrücke stellenweise weniger zahlreich gehäuft worden, so nur deshalb, weil man nichts anderes auszusehen hat Da6 vorliegende Werk, aus einer ungemein sorgsamen und liebevollen Verliefung in das vielgestaltige Thema entsprungen und von einer echten Begeisterung zu ergreifender Wirkung emporgetragen, zeigt die hochbegabte Verfasserin auf dem Gipfel ihres bisherigen literarischen Schaffens. Möge ihr auch der äußere Bucherfolg die verdiente Anerkennung bringen!

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