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Wie das Sternsingen begann

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Eine persönliche Erinnerungen daran, wie ein alter Volksbrauch - noch vor der Dreikönigsaktion - ab 1946/47 in der Großstadt Wien heimisch wurde.

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Eine persönliche Erinnerungen daran, wie ein alter Volksbrauch - noch vor der Dreikönigsaktion - ab 1946/47 in der Großstadt Wien heimisch wurde.

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Zu Weihnachten 1946 hatten unsere beiden Buben — der siebenjährige Winfried und der fünfjährige Franzi — mit etlichen bescheidenen Spielsachen auch weiße, lange Nachthemdlein vom Christkind bekommen. Einige Tage nach dem Heiligen Abend wollte Winfried sein Hemd als ein Unterkleid für ein Königskostüm verwenden und erbat sich daher von seiner Mutter einen farbigen Königsmantel dazu.

Aus einem Fahnentuch nähte die Mutter einen weitfaltigen Mantel und versah den Saum mit alten Goldborten, die wir mit dem roten Fahnentuch, von einer Tante aus der Steiermark erhalten hatten. Eine bunte Schärpe um die Mitte sowie eine vom Buben selbst verfertigte goldene Papierkrone vervollständigten den Königsornat.

Beide Buben wollten nämlich ein Märchen spielen. Franzi, der in nichts seinem älteren Bruder in seiner königlichen Herrlichkeit nachstehen wollte, erbat sich als „Prinz“ das gleiche Kleid und selbstverständlich auch eine Krone.

Als nun die beiden kleinen Könige in ihren Königsgewändern in einer Wohnzimmerecke beieinanderstanden und wir sie schmunzelnd betrachteten, sagte meine Frau so ganz zufällig und nebenbei zu mir: „Wenn wir nun einen dritten Buben hätten, könnten sie miteinander Sternsingen gehen.“ Hiemit war das entscheidende Wort — Sternsingen — erstmalig bei uns gefallen.

Der Gedanke ging uns nimmer aus dem Kopf, und wir wandten uns wegen eines „dritten“ Buben an die uns gut bekannte Tischlermeistersgattin Frau Hinterwirt, in der Zeltgasse, die einen mit unserem Winfried gleichaltrigen Buben hatte, mit der Bitte, ihren Bernhard für ein häusliches Sternsingen zur Verfügung zu stellen. Frau Hinterwirt war sogleich mit Begeisterung einverstanden.

Ich selbst kannte das Sternsingen wohl von meiner Kinderzeit her aus meiner obersteirischen Heimat, aber die beiden Mütter, die in Wien aufgewachsen waren, kannten diesen weihnachtlichen Volksbrauch der Alpenländer nur vom Hörensagen.

Für den kleinen Bernhard wurde rasch ein gleiches Königsgewand von den Müttern hergestellt.

Ein Volksbrauch in der Großstadt

Zweck dieses Sternsingens sollte sein, unsere Kinder mit diesem alten, schönen Volksbrauch auch praktisch bekannt zu machen.

Wir haben ja im Kreise unserer Familie in Wien auch andere Volksbräuche im Jahresverlauf unserer Kinder wegen gepflegt. An eine Einführung des Sternsingens in Wien hat damals niemand im entferntesten gedacht oder denken können, zumal man ja gar nicht ahnen konnte, daß so etwas überhaupt in der Großstadt möglich wäre.

Mit einem heiligen Eifer und mit einer freudigen Begeisterung wurden bei uns die weiteren Vorbereitungen getroffen.

Zuerst wurden von den frischgebackenen Sternsingern die Wohnungsnachbarn aufgesucht. Der überaus herzliche und freudige Empfang bei den Nachbarn ermunterte uns, auch zu den anderen Hausparteien zu gehen, und da auch hier wieder die gleiche freudige Überraschung sich wiederholte, wagten wir uns sogar auf die Straße, um Bekannte und Freunde in nahen Gassen der Josefstadt zu besuchen.

Die kleinen Sternsinger waren also „Freudenbringer“! Natürlich wurden die Buben auf der Straße vorsichtshalber von den Müttern begleitet, und zwar in einiger Entfernung, weil es die „Könige“ so wünschten.

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