6632529-1956_46_14.jpg
Digital In Arbeit

Wie der Film uns Freude ist..

Werbung
Werbung
Werbung

Darf ich da erst erzählen, wie er uns in ganz jungen“ Jahren Freude war?In-den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren es schon die Vorstufen des Films, die uns erheiterten. Da gab es die Laterna magica — Magica-laterne sagten wir Erdberger Buben —, ein einfacher Bildwerfer mit einem Petroleumfünzlein als Lichtquelle und einige Glasplatten zum Durchziehen, auf denen farbige Bilder waren. Ich erinnere mich, daß ganze zwei solcher Glasplatten mit ie drei Bildern in meinem Besitz waren. Aber wir hattea Freude daran, sie immer wieder an die Wand zu werfen. Dann gab es das „Lebensrad“. Eine Trommel mit Gucklöchern, drinnen, auf Papierstreifen, Bilder, und wenn man die Trommel rasch drehte, be-wegten sich diese Bilder. Das war ein frohes Spiel. Dann erinnere ich mich, daß wir Ende der neunziger Jahre als Bürgerschüler schon von einem unserer Lehrer in das damalige Carltheater geführt wurden Da wurden uns „Bewegte Bilder“ vorgeführt. Ich weiß heute nicht j mehr, unter welchem Titel, ich weiß nur, wie sehr wir über die sich einigermaßen komisch bewegenden Personen (die allererste Zeit des Stummfilms!) lachten. Und dann lachten wir auch einmal — ich gebe zu: ungebührlich — noch als Theologen Anno 1911 oder 1912. Unser Pastoralprofessor, Prälat Dr. Heinrich S w o-b o d a, der mit seinem 1909 erschienenen Buch „Großstadtseelsorge“ geradezu eine neue Periode der seelsorglichen Methode in Europa begründete, war auch allem Neuen offen, also auch dem Film, und wollte uns auch einmal dieses kommende „Seelsorgemittel“, wie er es damals schon nannte (fast 30 Jahre vor der Film-enzyktika „Vigilanti cura“!), zeigen. Im katholischen Arbeiterheim in der Göllnergasse gab es damals — auch interessant! — auch schon ein Kino. Dorthin wurden wir geführt, und der Vorführer meinte wohl, er müsse den Theologen etwas Klassisches vorführen, und ließ den „Trojanischen Krieg“ laufen. Lieber die vielen Pappendeckelmauern, die stürzen mußten, und über die zehn oder fünfzehn Männlein, die immer neu laufen mußten, um uns das Heer der Griechen zu demonstrieren u. a., haben wir, wie gesagt, ungebührlich — der Arbeiter-Vorführer hat sich darüber doch einigermaßen gekränkt —, aber herzlich gelacht.

Inzwischen freilich hat der Film seinen Weg gemacht, hat seine Technik in unerwarteter Weise verfeinert und vervollkommnet, hat den Ton, die Farbe in sein Lichtspiel einbezogen, ist auf die Breitwand gewandert, ist von einer Varietenummer im Berliner Wintergarten in seinen besten Erzeugnissen fraglos bis zur Höhe eines echten Kunstwerkes emporgereift, ist ein .Wirtschaftsfaktor geworden, der Zehntausende von Menschen aller Bildungs- und Fähigkeitsgrade beschäftigt, ist Gegenstand einer in .reicher Entwicklung begriffenen Filmwissenschaft, ist das am stärksten wirkende Massenbeeinflussungsmittel geworden und hat wohl lange noch nicht den#letzten Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht. — Doch es ist eine Freude, zu sehen, was der Menschengeist, was schöpferische Kraft im Laufe von, wenigen Jahrzehnten — der Film ist erst 60 Jahre alt — zu leisten vermag. • • ,

Und wenn wir von der Technik zum Inhalt übergehen} Meviel — warum es nicht sagen? — auch echte Freude'hat uns der Film schon vermittelt!- Wie lassen uns zum Beispiel die Natur-jlme, die wissenschaftlichen Filme, die Unter: “wasserfilme :u. a. die so unendlich reichen, vielgestaltigen. großen und kleinen Wunderwerke der Schöpfung Gottes in der Landschaft und in ihren Elementen, in der. Flora und in der Fauna, in ihren Geheimnissen und Wunderbar-lichkeiten näherkommen, staunend, bewundernd, erschauernd! Und. der Mensch! Was die Kamera uns von ihm offenbart in der Ber wegung, in der Beleuchtung, in der Großaufnahme, an kühnem Wagemut, an stürmischer Leidenschaft, an souveräner Meisterung seiner selbst und der Elemente. Wie oft hat uns ein guter Trickfilm ehrlich erheitert und ein gutes Lustspiel Stunden herzlichen Lachens bereitet. Welch edle Freude kann ernste Filmmusik, künstlerischer Tanz und die Farbe, wenn sie nicht nur Dekoration ist, sondern aus sich zu 'sprechen beginnt, bieten. Man hat den Film als „Traumfabrik“ auch verschimpft. Gewiß, er darf nicht lügen, er darf dem Volk und vor allem der Jugend das Leben nicht als ein Traumparadies vorgaukeln, wo jeder in einer eleganten Wohnung haust, die Frauen die neuesten Modeschöpfungen tragen, jedermann ein schickes Auto besitzt usw. Aber in der Nüchternheit, Sturheit, leiblichen und geistigen Ermüdung manches schweren und vielleicht enttäuschend erfolglosen Arbeitstages nehmen wir doch ein bißchen Traumland am Abend im Kino ganz dankbar an, gehen dann vielleicht auch ruhiger schlafen. Kein Geringerer als der gewiß ernste Philosoph Romano Guardini hat mir einmal bekannt, daß er sich manchmal gerne nach allzu mühevoller Tagesarbeit auch einem nicht ganz sinnvollen, aber doch sauberen Kintop ergibt. Dabei haben wir noch nicht gesagt, welche echte und schöne Erbauung und Freude der religiöse Film mit seinem diskreten und ehrfürchtigen Hineinleuchten in das Transzendente, Liebersinnliche, Uebernatürliche auch bereits zu bieten weiß. Unsere vier, alle zwei Jahre stattfindenden Wiener „Internationalen Festwochen des religiösen Films“ haben dies eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Immer wieder sagten uns Besucher, daß diese Wochen für sie ein rechtes Fest seien, auf das sie sich die ganzen zwei dazwischenliegenden Jahre freuen.

Lind endlich, weil wir beim Religiösen und damit beim Kirchlichen angelangt sind: es ist für den aktiven Christen, der seine Kirche liebt, aber sich auch freut über das Wirken und Aufscheinen Gottes in der ihn umgebenden Welt, doch auch eine echte Freude, zu sehen, daß und wie die Kirche sich immer ernster und immer positiver dem zeitgenössischen Filmwesen zuwendet. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird uns von Pionieren des Films im katholischen Lager, wie Kanonikus Brohee in Belgien und Chorherrn Petrus Rumler in Wien das Interesse der Katholiken an der neuen Technik bezeugt. Schon vor dem ersten Weltkrieg gab es. wenn ich recht unterrichtet bin, eine Erste Internationale Katholische Filmtagung.

Die Dinge entwickeln sich hier so weit, daß ;der weitschauende Papst Pius XL im Jahre 1936 sogar eines seiner bedeutsamen Rundschreiben, „Vigilanti cura“, vom 29. Juni 1936 dem Filmwesen widmete. Dieser Papst und erst recht sein Nachfolger, unser glorreich regierender Papst Pius XII., weisen dann immer wieder, immer konkreter, immer positiver auf die Aufgaben der Katholiken hin, die sie dem zeitgenössischen Filmwesen gegenüber haben. Diese Aufgaben beschränken sich durchaus nicht auf die bloße Abwehr gegen die Auswüchse des Films, sondern verlangen aktive und positive Mitarbeit, um den Film, wie es ein führender katholischer Filmologe ausgedrückt hat, christlich zu integrieren. Die neue Sprache, die er bedeutet, soll auch verwendet werden, um in der Weise und Kraft des Filmes auch die Frohe Botschaft vom Reiche Gottes zu verkünden. — So positiv wie Pius XII. in seiner Ansprache an die Filmschaffenden im Laufe des heurigen Frühjahrs (zweimal) über den Film, freilich über den guten Film, gesprochen hat, hat dies kaum noch jemand anderer auf so hoher Warte Stehender getan.

Daß es freilich noch seine gute Weile und seinen langen Weg haben wird, bis der Film nur noch Freude und nicht auch Frevel bedeutet, wollen diese Zeilen nicht in Abrede stellen. Eine bewußte und allgemein erstarkte katholische Filmaktion hat hier ünbezweifelbare

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung