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Wie unter Pittermann

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Die Stimmung ist zweifellos besser als vor eineinhalb Jahren. Wenn die SPÖ-Delegierten aus dem ganzen Bundesgebiet in den Wiener Sophden- sälen zusammentreten, haben sie nicht, wie Anfang 1967, auf eine verlorene Nationalratswahl zurückzusehen, sondern auf für sie erfreulichere Entwicklungen. In Oberöstenreich überflügelten sie die Gleißner-Partei um 5000 Stimmen, im Burgenland wurde die relative zur absoluten Mehrheit ausgebaut, in den Städten Linz, Graz, Salzburg, Klagenfurt und anderen Gemeinden gab es echte Erfolge. Einer Wiederwahl Dr. Bruno Kreiskys, dessen Berufung vor eineinhalb Jahren auf beachtliche Schwierigkeiten stieß, steht nichts im Wege. Die Olah-Nachwirkungen sind abgeebbt, die Wähler reuig zur SPÖ zurückgekehrt.

Und trotzdem: Auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Zwischen Bruno Kreisky und Bruno Pittermann schwelen die Differenzen weiter. Letzterer versteht es als Klubobmann der Partei, die Bäume des Parteivarsitzenden nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Dafür bürgt Anton Benya mit der sozialistischen Gewerkschaftsfraktion, der mit Kreisky einen Burgfrieden — aber nicht mehr — geschlossen hat.

Die „Revoluzzer“

Unerwartete und unerwünschte Publizität erhielt der Parteitag durch einen offenen Brief, den „Forum“- Herausgeber und Präsident der Journalistengewerkschaft DDr. Günter Nenning in den letzten Septembertagen publizierte. Nenning, der auf Kreisky so große Hoffnungen gesetzt hatte, ist tief enttäuscht: Es habe bisher keine entscheidende Parteireform gegeben, Kreisky habe eine Kette aus bemoosten Mühlsteinen um den Hals, namens Pittermann, Probst und Czernetz. Kreisky habe bisher Brillanz und Klugheit, aber nicht Autorität gezeigt, und überhaupt verzweifelt der intellektuelle Nenning an einer „Parteiführung von Traumvillenerbauem, Weltumseglern, Großwildjägern und Bestverdienern“.

Nenning ist aber nicht der einzige, der unzufrieden 1st. In den Bundesländern nimmt man es Kreisky übel, daß die Macht Pittermanns und vor allem des Zentralsekretärs Otto Probst ungebrochen ist. Kreiskys Aufgabe ist wahrlich nicht leicht. Würde er gegen die Zentralisten und den linken Flügel härter vergehen,

stünde zweifellos die Parteieinheit Wahlerfolge. Kreisky braucht ja auf dem Spiel. So ist er gezwungen, nichts dazu zu sagen, daß zu lavieren und zu paktieren, gerät in • in der vergangenen interniationa- Gefahr, schillernd zu Wirken. Seine len Konjunkturflaute die Regierungspersönliche Überempfindlichkeit Parteien in fast allen europäischen führt zu skurrilen Konsequenzen. So Staaten Schläge bekommen haben; etwa war RreiskF'der geistige Vater Wättileru tau Zeiten i.' Wischern

der Nationalratssitzung vom 18. Sep- entscheidenden' Wahlen der '• Regier- tember, iri'der über die Ereignisse rung gerne einen De.nkzetti'Lverpi'.s- in der ÖSSR debattiert wurde. Weil sen, damit sie nicht übermütig wird man ihm im SP-Klub nicht den (so verloren die schwedischen Sozialgroßen Auftritt einräumte, den er demokraten alle Zwischenwahlen sich bei seiner Initiative vorgestellt und gewannen schließlich haushoch), hatte, ließ sich der Exaußenminister, und

Vorsitzender der großen Oppositions- • die ÖVP und ihre Regierung Im Partei und damit deren Kanzler- vergangenen Jahr alles getan haben, kandidat, im Parlament wegen einer um die Bevölkerung in Rotglut zu Erkältung entschuldigen. Der politi- versetzen (und heuer eklatante Fetische Gegner ist mit einem Achsel- 1er vermieden haben).

zucken darüber hinweggegangen. In Man braucht den Parteidelegierten der Partei trägt man so etwas nach, auch nicht zu sagen, daß mit dem Doch das Image der SPÖ hat sich beginnenden Wirtschaftsaufschwung eindeutig verbessert. Kreiskys Eie- die Zufriedenheit in der Bevölkerung ganz im Auftreten, sein gehobener wächst und Bundeskanzler Dr. Klaus Lebensstil und seine blendende seinem Rivalen Dr. Kreisky in der Rhetorik zeigen eine gewisse Attrak- öffentlichen Meinung klar davon- tivität über die Partei hinaus. Vor zieht, wie auch sozialistische Mei- allem aber zählen die erwähnten nungsumfragen ergaben.

Das „lückenhafte“ Programm

Der Wirtschaftsaufschwung, der nicht mehr zu verkennen ist, wird aber das Konzept der Parteiführung für den Parteitag auch in einer anderen Hinsicht beeinflussen. Die SPÖ will auf diesem Parteitag ihr Wirtschaftskonzept beschließen, bei dessen Entwurf sich die sachlich denkenden jungen Nationalökonomen aus Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer gegen die Ideologen klar durchgesetzt haben. Allen Beschwichtigungen zum Trotz, enthält das Konzept einige klare Absagen an das

klammert es doch wesentliche Gebiete der Wirtschaftspolitik aus. Und selbst gutgewillte Kritiker sehen nicht, wie das Riesenloch zwischen den aufgestellten Forderungen und den Bedeckungsvorschlägen geschlossen werden könnte.

Nicht zur Diskussion stehen wird zweifellos das Verhältnis zur Kirche und zu den Christen, obwohl Günter Nenning in seinem „Brief an den Parteitag“ dieser Frage breiten Raum widmete. Der prominente Publizist, der seit Jahren der Versöhnung zwischen Christentum und Sozialismus das Wort redet und es in politi- cis bis zum Ghost-writer eines Kardinals gebracht hat, stellt betrübt fest: „Die Öffnung zum modernen Christentum wurde versucht, ist aiber bisher nicht gelungen.“ Nenning vermißt die Sozialisten in der Kirche und die Christen in der SPÖ. „In der Wiener Höhenluft bleibt die atheistische Parteiaristokratie nach wie vor streng unter sich.“ Und weil er schon dabei ist, sagt er es auch dem „besten Bruno, den wir haben“, hinein: „Wer Sozialist und Christ zugleich ist, erhält auch vom neuen Parteivorsitzenden, wenn er gerade schlechter Laune ist, die Narrenkappe aufgesetzt“, und resümiert quasi über den Gesamtzustand der Partei: „Wie in den guten alten Zeiten Pittermanns.“

sozialistische Parteiprogramm des Jahres 1958, was die kommunistische „Volksstimme“ bereits vorgerechnet hat. Es ist eine besondere Tragik, daß die Sozialisten gerade mit diesem an sich positiven Wirtschaftsprogramm, das den ideologisch gedrillten Kader auf eine sachliche Auffassung von der Wirtschaftspolitik einstimmen soll, in die Schußlinie der ÖVP-Propaganda kommen Wird. Mit Schadenfreude weist man in der Kämtnerstraße darauf hin, daß der Wirtschaftsaufschwung bereits eingesetzt hat. Dem „zu spät“ folgt in der Kritik ein „lückenhaft“. So umfangreich das Werk ist, so

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