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wie verschaffe icli mir Feinde und Nackenscliläge ?

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Ein erprobt sicheres Rezept, sich verhaßt zu machen, ist: Man verspreche einem jeden alles und halte nichts. Diese scharmante Umgangsform redet sich rasch herum und erreicht Wunder, ohne daß es der Ver-Versprecher ahnt. Sollte man sich wider Erwarten einen allzu gütigen Freund erhalten haben, so kann man selbst diesen Unbekehrten loswerden, indem man sich von ihm ein Buch oder ein Grammophon oder Geld bestimmt nur bis Dienstag ausborgt, ab Montag auf Wochen spurlos verschwindet und erst nach Drohungen die Summe stotternd und die Gegenstände in nicht wiedererkennbarem Zustand patzig zurückreicht.

Eine andere, gleichfalls recht bequeme Art, sich unbeliebt zu gestalten, ist die Angewohnheit, eine Einladung zum warmen Abendbrot zu verschwitzen oder erst eine Stunde später zu erscheinen und bei zu harter Leber und welk gewordenem Salat eine Ausrede zu benutzen, die sich noch am gleichen Abend infolge eigener Unvorsichtigkeit als Märchen entpuppt. Noch rascher büßt man jegliche Sympathie, wenn man ungebeten als Gast aufzukreuzen liebt, sich trotz aller Anzapfungen wohl fühlt und nicht vor Morgengrauen von den Gähnkrämpfern scheidet.

Man mache es sich zur Gewohnheit, sich in jeden noch so unwichtigen Streit zwischen zwei, drei und mehreren Personen einzumischen, möglichst beide Parteien zu, verletzen, obwohl man mit dem ganzen Problem nichts zu tun und auch keine Ahnung hat. Man verwickle sich ebenso leidenschaftlich in jedwede Schlägerei, ohne die Gründe und Ziele der Kämpfenden zu erahnen. Man glaube jedem Gerücht über Bekannte, Nachbarn und Verwandte und verbreite die Fama mit eigenen Ausschmückungen und Kombinationen als erwiesene Tatsache und streite später, wenn man zur Rede gestellt werden sollte, alles ab und bezichtige andere, möglichst Unbeteiligte, als Klatschmäuler, die man lieber meiden möge. Man bekümmere sich intensiv um das Privatleben seiner Umgebung und sorge für die Verbreitung jeglicher Geschichtchen, die geeignet sind, den guten Ruf der Umtratschten zu untergraben. Man spreche grundsätzlich nur Schlechtes, jedenfalls nie Gutes über Freunde und höre mit derlei Verleumdungen nicht eher auf, als bis selbst dem höflichsten Zuhörer der Kragen platzt, denn er überlegt mit Recht: Wenn diese Giftschleuder Schon über seine Nächsten so grimmig herfällt, was wird er erst hinter meinem Rücken alles an Bosheiten ersinnen!

Man lege Wert darauf, in jeder Gemeinschaft sofort als Spielverderber und Hyper-meckerer störend aufzufallen, und schüttelte schon den Kopf mit der Verkündung eines lauten „Nein!“, bevor man noch die Gegenargumente vernommen hat. Man verteile ungefragt für alle selbstherrlich gestrenge Zeugnisse und dulde weder Milde und Gnade. Man genehmige sich selbst aber jede Entschuldigung. Man plaudere mit jedermann unter dem Siegel des Vertrauens, was man gerade unter dem Siegel des Vertrauens gehört 'hat, und denke nicht etwa, daß der ins Vertrauen gezogene Partner über diese Indiskretion erschreckt wird und sich vornimmt, dir nie mehr eine Silbe anzuvertrauen. Man gebe einem Verdächtigten keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, sondern fälle endgültig sein Urteil ohne Anhörung der Gegenseite. Man halte einen jeden, der anderer Meinung ist, prinzipiell für einen Idioten oder Verbrecher oder bestochenen Agenten oder, am sichersten, für alle drei!

Man schreibe das Wörtchen „ich“ mit großen Anfangsbuchstaben. Man lobe sich selbst. Man rede ausschließlich über sich selbst. Man höre nur auf sich und auf die anderen nur unwillig mit halbem Ohr oder gelangweilt gar nicht zu. Man erkenne das Wirken seiner Umgebung nie an.. Man schadenfreue sich geräuschvoll über jede Niederlage eines überlegenen Gegners. Man schiebe einen Unterstellten eine schwere Arbeit zu, die man eigentlich selbst auszuführen hat, und suche, falls sie gut vollendet ist, bis man einen kleinen Fehler gefunden hat. Diesen Lapsus bausche man geschickt auf und weide sich an der nunmehr abermals erwiesenen Ueber-legenheit. Man gebe die Ideen eines anderen als seinen eigenen Einfall aus, sei aber bereit, den wahren Sachverhalt zuzugeben, sobald es sich als ein Mißerfolg herausstellt.

Man sei sozial, aber nur auf Kosten der anderen, indem man Präsente verteilt, die einem nicht gehören, aber achte vorsorglich auf die Erhaltung des eigenen Besitzes. Man teile stets seinen Verdruß mit anderen, behalte aber alle Freude für sich.

Wer einmal den Chef für ein paar Tage oder Wochen zu vertreten hat, merkt in seinem Machtrausch gar nicht, wie sich seine Chancen auswachsen, um zum unbeliebtesten Zentrum des ganzen Betriebes für lange, lange Zeit zu werden. Man beginne mit dem welttraditionellen Begrüßungssatz taktvoll: Nun werde ich mal diesen Stall aufräumen!“ Sogleich schließe man sich von bisher Gleichgestellten ab, führe „Reformen“ im Personal und in der Arbeitsmethode durch. Man räche sich an seinen ausgelieferten Gegnern, bevorzuge Cliquen und nutze die Vertretungszeit aus, um den Abwesenden madig zu machen. Wem diese kleine Liste zur Erzeugung von Haß nicht ausreichen sollte, dem erteile ich zum Abschluß noch meine letzte unfehlbare Verhaltungsregel: Man erteile Verhaltungsregeln! Unerbetene Ratschläge vernimmt und befolgt niemand gern. Sie verschaffen garantiert todsichere Feinde und Nackenschläge.

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