Blai Bonet: Der Krieg hat die Seelen der Jugendlichen verwüstet

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Einer der großen Unbekannten der europäischen Literatur ist im Kupido Verlag neu zu entdecken – der katalanische Schriftsteller Blai Bonet.

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Einer der großen Unbekannten der europäischen Literatur ist im Kupido Verlag neu zu entdecken – der katalanische Schriftsteller Blai Bonet.

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Der katalanische Schriftsteller Blai Bonet (1926–1997) war ein Zeitgenosse Thomas Manns, was man seinem Roman „Das Meer“ ansieht. Er erschien mit Verzögerung erst 1958 und auch dann nur verkürzt, weil in Francos Spanien alles Katalanische als grundsätzlich verdächtig galt. Dass Bonet für das Manuskript 1957 einen wichtigen Preis für unveröffentlichte Prosa erhielt, stärkte ihn im Kampf gegen die Zensur, sodass an ein Erscheinen des Romans überhaupt erst zu denken war. Es gab aber auch andere Gründe, warum das Buch nicht in das Konzept der Diktatur passte. Im Jahr 1940, der Spanische Bürgerkrieg ist vorbei, befinden sich junge Männer in einem Sanatorium auf Mallorca. Sie sind körperlich wie seelisch geschädigt, Tuberkulose und die Traumata des Krieges setzen ihnen heftig zu. Manuel und Ramallo, Freunde seit der Kindheit, begegnen einander dort. Sie versuchen das Erlebte in ausufernden Gesprächen und Monologen zu überwinden, eine aussichtslose Sache.

Die Landschaft – Bonet schildert sie in glänzenden Farben – steht in schrillem Kontrast zur Verfassung der jungen Männer, für die der Tod die eigentliche Zukunftsperspektive bedeutet. Schon als Kinder bekommen sie mit, dass Menschenleben nicht viel zählen. Als ein Jugendlicher in einem der Täter eines Massakers den Vater eines Schulkollegen erkennt, bringt er diesen um und stirbt selbst auf der Flucht. Solche Geschichten setzen den Genesung Suchenden zu.

Der Verfasser ist an der Lektüre der klassischen Moderne geschult. Das erleichtert es ihm, die Handlung weitgehend zurückzunehmen, weil sich das eigentliche Geschehen im Inneren der Figuren abspielt. Neben Angst und Trauer meldet zaghaft auch das Begehren sein Recht an. Entscheidend ist, dass es ein Seelenleben nur gibt als Reaktion auf die äußeren Umstände. Die jungen Männer hatten eine verpfuschte Kindheit, was daraus folgt, ist eine Biografie der Verstörung. Und wenn junge Männer schon zusammen weggesperrt und isoliert von der Außenwelt sind, verlagert sich das erotische Interesse auf die naheliegenden Möglichkeiten.

Bonet hat „Der Zauberberg“ gelesen und schreibt einen anderen Sanatoriums-Roman, die schmutzige Variante gleichermaßen. Von Veredelung und intellektueller Verfeinerung keine Spur. Wie denn auch, wenn bei Thomas Mann der Krieg erst bevorsteht und keiner einen Begriff hat von den kommenden Grausamkeiten. Bonets Figuren sind bereits geschädigt, für Glasperlenspiele sind sie verloren.

Einer der großen Unbekannten der europäischen Literatur ist kennen zu lernen, der für Entdeckungen stets aufgeschlossene Kupido Verlag wird sich auch in Zukunft um Blai Bonet ­kümmern.

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