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Caritas-Parlament in Innsbruck

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Wenn man Caritas sagt, denkt man unwillkürlich an Armut und Hunger, an Krankheit und Hilflosigkeit, an die vielfältige Not der Kriege und Nachkriegszeiten, an das Elend der Flüchtlinge und an den Jammer bei Katastrophen. Aber man denkt ebenso an großzügige Hilfsaktionen und an den raschen Einsatz einer gutfunktionierenden Organisation. Viel weniger denkt man vielleicht an jene Hilfe, die unaufhörlich fließt und durch ungezählte Kanäle die mannigfache Not zu erreichen und zu lindern sucht. Wieviel und wie Großes da schon getan werden konnte, muß einmal aufgezeigt werden. Denn in der Geschichte unserer Zeit, die auf ihr großartiges Aufbauwerk mit Recht stolz ist, gebührt auch der Caritas ein ehrendes Kapitel.

Freilich ist Caritas mehr als das, was statistisch erfaßbar ist; sie ist nicht nur etwas, das eben auch in Bewegung kommt, wenn eine Not offenbar wird. Caritas ist wesentlich Haltung, ist die Grundhaltung des Christen, der sich auf das magnum mandatum Christi verpflichtet weiß. Unsere Caritas entscheidet, wieviel unser Christentum wert ist, unsere Caritas wird auch beim Endgericht die Entscheidung herbeiführen. Ob wir da schon ganz ruhig sein dürfen? Ob wir nicht vielmehr unruhig werden müßten angesichts unserer scheinbar weithin gesättigten Gesellschaft? Wer glaubt, daß in unserem Wohlfahrtsstaat und in unserem Wohlstandszeitalter karitatives Wirken eigentlich nicht mehr notwendig sei, der gibt sich einer Täuschung hin. Mir kommt vor, daß die Caritas gerade heute recht viel zu tun hat. Denn mit dem Wohlstand wächst allzuoft auch die Selbstsucht, die sich anderen gegenüber verhärtet, die Menschen nur nach Erfolg und Tüchtigkeit bemißt und fremde Not gern als selbstverschuldet abtut. Das ist gewiß keine christliche Haltung, ja sie verstößt auch gegen jedes echte Menschentum. Allzu viele werden zwischen den Mühlsteinen der Geschäftstüohtigkeit und des Karrieremachens zerrieben, und die Jagd nach dem Wohlstand läßt keine Zeit für die Opfer, die nicht mitkommen und am Wege liegenbleiben. Sich um diese ganz persönlichen Nöte zu kümmern und die Menschen wieder auf sie aufmerksam zu machen, das gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Caritas.

Wir sind heute stark in Gefahr, alles von Institutionen zu erwarten und die Verantwortung für andere auf den Staat oder auf irgendeine Organisation abzuwälzen. Aber die Liebe läßt sich nicht institutionalisieren, sie läßt sich nur zusammenfassen und steigern. Caritas verdient diesen schönen Namen nur, wenn sie Ausfluß persönlichen Helfenwollens ist. Wie gut, daß es immer wieder Menschen gibt, die über sich selbst hinauswachsen und auch an den Bruder denken, ob sie ihn nun kennen oder nicht, ob sie seinen Dank empfangen oder ihre Gabe in die Hände derer legen, die sich der Mühe des Planens und Verteilens unterziehen.

Es ist recht und billig, daß wir in Dankbarkeit des Wirkens der österreichischen Caritas gedenken und es anläßlich der internationalen Caritaskonferenz in Innsbruck der Öffentlichkeit vorstellen. Mögen immer mehr Menschen an dieser notwendigen und im wahrsten Sinne des Wortes notwendenden Liebestätigkeit teilnehmen, damit sie in zeitgemäßer Form fortgesetzt werden könne und an Ausdehnung wie an Wirkung gewinne.

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