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Damit wir Amen sagen

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Obwohl dieses von Norbert Rocholl sehr flüssig ins Deutsche übersetzte Buch in seiner französischen Originalfassung wohl schon vor mehr als einem Jahr erschienen sein dürfte, trifft es mitten in eine sehr aktuell gewordene Auseinandersetzung. Seit dem mit besonderem Nachdruck verkündigten Willensakt des Papstes, der lateinischen Sprache im religiösen Leben wieder den ihr traditionell zukommenden Rang zu geben, hat eine erregte Auseinandersetzung über die Konsequenz und Tragweite dieser etwas überraschenden Anordnung eingesetzt. Inzwischen hat sich bei genauem Studium des Textes herausgestellt, daß die Frage der Sprache in der Liturgie, besonders beim Meßopfer, durch diese Regelung nicht oder nur ganz am Rande berührt wird. Um so wichtiger aber ist es jetzt — da

die vorbereitende Konzilskommission für Liturgie ausdrücklich bekanntgab, daß sie sich eingehend mit diesem Problem befaßte —, daß die breite katholische Öffentlichkeit den gegenwärtigen Stand der Auseinandersetzung kennt. Paul Winninger, dem sein eigener Oberhirte, der Bischof von Straßburg, in einem profilierten und keinesfalls nur kurial-farblosen Vorwort „Unermüdlichkeit“ und „Ungestüm“ bescheinigt, macht keinen Hehl daraus, daß er seine Untersuchung in bewußter Parteinahme geschrieben hat, daß ihm die Frage auf der Seele brennt. Aber dennoch ist sein Buch keine über das Ziel hinausschießende oder undurchdacht polemisierende Streitschrift. Er nimmt die sachlichen und wohlerwogenen Argumente derer sehr ernst, die sich gegen eine Einführung der Muttersprache bei der Liturgie wehren. Und er setzt sich auch mit der heute allgemein gebräuchlichen Form der sogenannten Parallelliturgie auseinander, die im simultanen Mitlesen aus dem „Schott“ besteht. In einer bei aller Gründlichkeit ungemein schwungvoll geschriebenen essayistischen Untersuchung über die Funktion der Sprache im Heils-

geschehen setzt er sich auch mit diesem philosophischen Argument auseinander.

Besonders gründlich und schriftbelegt sind schließlich die aus der Gemeindetheologie der Paulusbriefe schöpfenden exegetischen Untersuchungen über die apostolische Idealform des Gottesdienstes. Seine eigene Meinung faßt er nicht in einem Forderungskatalog zusammen, der wenig Aussicht hätte, von den wirklich entscheidenden Stellen auch nur ernst genommen zu werden. Er sagt vielmehr sehr abgewogen (S. 244):

„Der Zeitpunkt ist gekommen, die Frage objektiv zu betrachten, sich ihr in unserer Zeit und gemäß der lebendigen Tradition der Kirche zu stellen. Das Problem der Volkssprache in der Liturgie ist zweifellos noch nicht reif genug, um aufsehenerregende Reformen zu rechtfertigen, obwohl gewisse Verbesserungen unmittelbar möglich sind. Aber ist es nicht reif für eine grundsätzliche Lösung?“

Den österreichischen Leser dieses Buches überfällt ein gewisser Neid. Der Autor kommt aus der Diözese Straßburg. Und

viel von dem, was er heute schon als überholungsbedürftige Zwischenform der liturgischen Entwicklung bezeichnet, ist für unsere Praxis, die sich ja oft erheblich von der Weisung der Ordinarien unterscheidet, ein noch weit in der Ferne liegendes Idealziel. In Frankreich debattiert man bereits über die Form des vom Volk nach dem Proprientext gesungenen Gra-duale. Bei uns aber orgelt und summt, wimmert tlnd flötet es noch weithin im Lande, jahraus, jahrein, ohne Rücksicht auf die Zeit des Kirchenjahres im aufklärerischen oder biedermeierlichen Stil: „Selig pocht's in meiner Brust“ und (gut liberal) „Aller Orten ist ein Tempel“.

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