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Das Verhör

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Frager: „Wie fühlen Sie sich heute?” Verdächtiger: (schweigt)

FragkR: „Haben Sie uns heute etwas zu sagen?” verdächtiger: (schweigt)

Frager: „Wenn Sie Mittäter hätten, wären Sie eine Gruppe. Eine Verschwörung. Eine Untergrundorganisation. Eine solche nicht aufgedeckt zu haben, wäre für uns doch sehr blamabel. Ich denke jetzt nur laut. Nein, nein, Sie sind schon ein Einzeltäter. Oder?” verdächtiger: (schweigt) frager: „Außerdem wären Ihre Mittäter, wenn Sie welche hätten, längst über alle Berge. Das wäre ja noch schöner. Das wäre ja die größte Blamage. Nein, meine Erfahrung trügt mich nicht. Zum Glück bin ich nach der Analyse aller Umstände zur vollen und aufrichtigen Überzeugung gelangt, daß Sie ein Einzeltäter sind.” verdächtiger: (schweigt) frager: „Außerdem könnten Sie, sobald Sie eines Tages gestehen, auch gleich offen und ehrlich zugeben, daß Sie ein völlig unpolitischer Mensch sind. Nicht, daß ich Ihnen etwas in den Mund legen möchte. Ich denke nur laut. Aber ich vertraue meiner Erfahrung. Sie sind doch ein völlig unpolitischer Mensch?” verdächtiger: (schweigt) frager: „Es ist schon ein großes Glück für uns, daß Ihnen die Politik völlig wurscht ist und Sie so gut unserem Anforderungsprofil entsprechen, ich meine, unseren Vorstellungen vom Täter. Schön, Sie mögen offenbar die Ausländer nicht. Ich kann es verstehen. Ich kann mich in jeden einfühlen. Aber Ausländerhaß mit politischen Motiven, und das bei Ihrem familiären Background, also, das könnte diesen Staat doch womöglich in seinen Grundfesten erschüttern. Nicht auszudenken! Die Presse! Das Kleinformat! Es ist schon ein Glück, daß Sie Ihre Taten aus völlig unpolitischen Motiven begangen haben. Sie sind nur ein bißchen verrückt. Ich bin ganz sicher. Sie brauchen es bloß endlich zu gestehen.” Verdächtiger: (schweigt) frager: „Wie gut! Wie beruhigend! Der Gedanke an Komplizen, der Gedanke, einer davon könnte womöglich einen Polizisten kennen, oder gar irgend jemanden Hochgestellten! Schrecklich! Beim Gedanken an die Weiterungen wird mir ganz schlecht! Gäbe das einen Pallawatsch!” Verdächtiger: (schweigt) frager: „Nach unseren Berechnungen müßten Sie längst zusammengebrochen sein. Sie müßten längst in der großen psychischen Krise die ganze Wahrheit herausgespuckt haben. Finden sie es fair, nicht endlich zusammenzubrechen und alles zu sa-gen?”

Verdächtiger: (schweigt) frager: „Das wird doch jetzt schon fad! liegen Sie endlich ein rückhaltloses Geständnis ab! Sagen Sie alles, wo wir doch ohnehin längst alles wissen!” Verdächtiger: (schweigt) frager: „Jetzt ist schon Neujahr vorbei, bald kommt der Frühling, und wir sind noch keinen Schritt weiter. Sie haben noch immer nicht gestanden, daß Sie ein Einzeltäter sind, der in keinem politischen Eck steht. Können Sie nicht auch einmal nett zu uns sein?”

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