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Dichtung und Dichter unserer Zeit

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LEXIKON DER WELTLITERATUR IM 20. JAHRHUNDERT. Zweiter Band K-Z. 1. und 2. Auflage. Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien. 1)24 Spalten Text und

7 Ahhildnnfftn. Prei 88.40 DM.

Bereits der an dieser Stelle schon ausführlich gewürdigte 1. Sand des Herderschen Literaturlexikons ließ erkennen, daß hier ein modernes Standardwerk im Entstehen ist, das seinesgleichen im deutschen Sprachraum nicht hat. Die Vorarbeiten dazu wurden vor einigen Jahren im Forschungsinstitut für Europäische Gegenwartskunde geleistet, den Feinschliff und zahlreiche Ergänzungen bekamen die einzelnen Artikel (und der gesamte, fast unüberblickbare Stoff) im Lexikographischen Institut des Herder-Verlages in Freiburg im Breisgau. Am Ende des vorliegenden 2. Bandes, der etwas umfangreicher geraten ist als der erste, findet sich ein Personenregister von 24 vierspaltig bedruckten Seiten in Kleinstschrift, das eine Ahnung von der Stoffmasse vermittelt, die hier bewältigt wurde. Um so mehr muß hervorgehoben werden, daß fast alle Artikel auch 1 e l-b a r abgefaßt sind, und so geschieht es leicht, daß man beim Nachschlagen ins Schmökern — und von da vom Hundertsten ins Tausendste gerät.

Neben den Beiträgen, die einzelnen Dichtern gewidmet sind und von denen viele als wohlgelungene kleine Monographien angesprochen werden können. stehen wieder, wie im 1. Band, die den einzelnen Nationalliteraturen gewidmeten Studien, und zwar über Kanada, Katalanien, Lettland, Litauen, Neo-afrika, Niederlande, Norwegen, Österreich (von einem uns unbekannten Autor, Hellmuth Himmel, der aber nicht schlecht instruiert ist), Polen, Portugal, Provence, Rumänien, Rußland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und spanisch Amerika, Tschechoslowakei, Türkei, Ungarn und Wallis.

Eine dritte Komponente bilden die zum Teil umfangreichen Sachartikel, von denen die folgenden genannt seien: Kabarett, Kriminalroman, Kurzgeschichte, Lyrik, Monologue interieur, Naturalismus, Novelle, Psychologie und Literatur, Rundfunk und literarisches Hörspiel, Satire, Surrealismus, Symbolismus, das Tragische, Utopie,' Weltliteratur, die Zeit in der Literatur. Einen Beitrag haben wir aus dieser dem Alphabet folgenden Aufzählung ausgespart: den über Literaturwissenschaft und Literaturkritik von Rene Wellek, dem sich eine Abhandlung über Ästhetik von Rudolf Haller anschließt. Diesen Autoren, vor allem dem ersteren, wurde eine wahre Atlaslast aufgebürdet, Überdies berührt er, wohin er auch faßt, heiße Eisen und wird daher wohl in ein lebhaftes Kreuzfeuer der Kritiker kommen — an dem wir uns aber nicht beteiligen wollen, auch wenn gegen einzelne seiner Wertungen dies und jenes einzuwenden wäre. Trotzdem bleibt diesei Artikel eine hochrespektable Leistung, zumal mit diesem Beitrag der Versuch gemacht wird, eine Lücke zu schließen, die dadurch entstanden ist, daß man einzelne Beiträge nur Dichtern und Schriftstellern, nicht aber einzelnen Literarhistorikern widmete.

Es würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen, wenn wir nun sämtliche Beiträge von K bis Z mit unseren Randbemerkungen versehen wollten. Hier mögen lediglich einige zum Buchstaben K folgen. Hans Kaltnecker mit 15 Zeilen scheint uns etwas dürftig abgehandelt, obwohl der Autor heute so gut wie unbekannt ist — oder eben deswegen! In dem Rudolf Kassner gewidmeten Beitrag von E. C. Mason vermissen wir die Andeutung darüber, daß Kassners Esoterik nicht zuletzt seiner vertrackten Sprache zuzuschreiben ist. Im Grunde ist, was ei zu sagen hat, gar nicht so kompliziert, aber wie er es sagt, da liegt der Haken.

Dagegen hat der gleiche Autor Kassners kompliziertes „ambivalentes“ Verhältnis zum Christentum richtig und klar dargestellt. Kurz, aber gut ist der Beitrag von Eugen Kuri über Jack Keruak. K. Drews hätte bei Alfred Kerr nicht nur auf dessen Prägekraft, sondern auch auf seine maßlose Ungerechtigkeit und seine bereits historisch gewordenen Schnitzer hinweisen sollen. Nicht nur Kerrs Verse sind mit Haß und Liebe geschrieben ... Sollte man neben Eduard Graf Keyserling nicht auch Hermann einen bescheidenen Platz unter den Dichtern, zumindest unter den Schriftstellern, einräumen? Klabund, der Glühende, der so früh erlosch, wird von Ingo Seidler reif und gerecht beurteilt. Erfreulich, daß man sich auch Kubins und Kokoschkas als Dichter erinnert hat, wenn auch in unzulänglicher Weise. Max Kommereil, der dem George-Kreis nahestehende Literarhistoriker, wird als Dichter von Otto Heuscheie doch wohl ein wenig überschätzt. Hervorzuheben: die Studie über Arthur Koestler von K. O. Paetel. Schade, daß der Autor die beiden letzten, so bedeutenden und charakteristischen Publikationen Koestlers nicht mehr einbeziehen konnte. So bald bedürfen Werke dieser Art einer Ergänzung, das heißt einer neuen Auflage... Ob es richtig war, einen Krausianer (Werner Kraft) über Karl Kraus schreiben zu lassen? Das Phänomen Kraus harrt immer noch einer wirklich objektiven, zumindest um größtmögliche Sachlichkeit bemühten Darstellung. Hier hätten die Tiefenpsychologen, die Kraus so sehr gehaßt und verachtet hat, ein Wörtlein mitzureden. Aber dies nur am Rande, ebenso wie die Bemerkung, daß mir der Vergleich zwischen Lernet-Holenia und Hofmannsthal schief erscheint. Die beiden haben als Dichter und als menschliche Typen nichts, aber schon gar nichts gemeinsam.

Doch damit haben wir unser Pensum und den Vorsatz, uns auf den Buchstaben K zu beschränken, bereits überschritten und mißachtet. Fügen wir zum Schluß daher dem allgemeinen Lob für die hier geleistete Arbeit noch das für die außerordentliche graphische Sorgfalt und Sauberkeit hinzu. Soweit man es nach einer relativ kurzen Benützungszeit feststellen konnte, ist der Band fast druckfehlerfrei. Die Photos der 37 Dichter sind nach Nationen beziehungsweise Kulturkreisen geordnet. Das hat seine Vor- und Nachteile. Der Verlag wird sich's bei einer Neuauflage vielleicht noch einmal überlegen. Prof.

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