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Die Antworten des Mr. Gowan

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Aus diesem Grunde wandte ich mich an die bekannte amerikanische Publizistin Wanda Whitman mit der Bitte, Auskünfte von solchen Personen einzuholen. Schon ihr erster Schritt hat den entscheidenden Erfolg gebracht. Die Person, an die sich Mrs. Whitman gewandt hat, war der Anwalt Joseph Gowan in New Orleans, der Claude Eatherly in den Jahren 1954/55 (also mehr als zwei Jahre bevor irgendein Reporter, Autor oder „Philosoph” Eatherly gekannt, geschweige denn „bearbeitet” hatte) vertreten hatte. Diesem Anwalt legte Mrs. Whitman drei Fragen vor, die Mr. Gowan postwendend beantwortete. Die Antworten von Mr. Gowan, die unten abgedruckt sind, beweisen, was es mit Huies Theorie auf sich hat: nämlich nichts. Vielleicht läge es nahe, auf Grund dieser Widerlegung Huies nun zu triumphieren. Aber dazu sehe ich wenig Anlaß. Der Gedanke, daß es einen Autor gibt, der ein Buch schrieb, um zu beweisen, daß Hiroshima zu bereuen deshalb Betrug sei, weil der Mann, der Hiroshima bereue, ein Betrüger sei — dieser Gedanke ist vielmehr so deprimierend, daß er jede Freude über den Sieg im Keim erstickt. Huies Vorgehen war übrigens um so un- qualifizierbarer, als er in seinem Buche behauptet hat, den Rechtsanwalt Gowan interviewt zu haben, diesen läßt er sogar in direkter Rede auftreten (S. 118 ff., amerikanische Ausgabe). Zu entscheiden, ob Mr. Gowan von Huie wirklich interviewt worden ist, das ist für mich nicht möglich, denn im Widerspruch mit Huie teilt Mr. Gowan in seinem seine Antwort begleitenden Brief mit, daß er sich nicht entsinne, jemals den Fall Eatherly mit Huie besprochen zu haben. Wenn aber dieses Interview doch stattgefunden haben sollte, dann hat Huie entweder die Gretchenfrage: ob Claude Eatherly von Hiroshima oder von seiner Reue über Hiroshima gesprochen habe, erst gar nicht gestellt; oder er hat die Mitteilung von Mr. Gowans Antwort, weil diese seiner Theorie widersprach, unterlassen. Erfreulich ist keine der beiden Möglichkeiten, aber eine dritte gibt es nicht. — Gleichviel, hier sind nun die dem Rechtsanwalt vorgelegten Fragen und die von diesem erteilten Antworten.

FRAGE: Hat Claude Eatherly während seiner Haft in New Orleans zwischen dem 2. Dezember 1954 und dem 25. Dezember 1955 jemals in Ihrer Gegenwart sein Schuldgefühl erwähnt, das er im Zusammenhange mit seinem Beobachtungsflug über Hiroshima empfunden habe?

ANTWORT: Ja, wir diskutierten darüber mehrere Male. Bei diesen Gelegenheiten versuchte ich, ihm den Gedanken nahezulegen, daß er mit allem, was er getan, seine Pflicht getan habe; daß diese Pflichterfüllung lobenswert sei; daß er, wenn er anders gehandelt hätte, vor ein Kriegsgericht gestellt und vielleicht sogar zum Tode verurteilt worden wäre; daß er bei diesem Fluge, nicht anders als bei anderen Flügen, nur Befehle befolgt habe; daß es höchst unrealistisch gewesen sei (und auch sein würde, sich selbst zu verdammen oder sich selbst die Schuld an allen diesen Toten zuzuschreiben; daß er sich dadurch daran hindere, sich selbst zu helfen und der Gesellschaft von Nutzen zu sein; und daß er, sofern ihn sein Verantwortungsgefühl quäle, nichts Bessere dagegen tun könne, als diese offenkundige Tat („overt act”) wiedergutzumachen oder für diese zu büßen, und zwar dadurch, daß er sein künftiges Leben der Anstrengung widme, konstruktive Arbeit zu leisten und der Menschheit zu helfen.

FRAGE: Hat er jemals seine mit seinem Schuldbewußtsein zusammenhängenden Alpträume oder Schlaf Schwierigkeiten geschildert?

ANTWORT: Ja, davon hatte er mir erzählt, er begann mir seine Alpträume zu erzählen, aber ich sagte ihm, mir wäre es lieber, nicht davon zu hören, da ich „mental therapy”, einer Therapie, bei der ein Individuum einem anderen seine Trauminhalte mitteilt, kein Vertrauen entgegenbringe. Auch heute nicht. Vielleicht sollte ich sagen, daß ich mich unfähig fühlte, sogar wußte, daß ich unfähig war, ihm dadurch zur Besserung zu verhelfen, daß ich der Erzählung seiner Träume zuhörte. Nun, da ich dies niederschreibe, glaube ich, daß ich wahrscheinlich unrecht hatte, ihn nicht mindestens in großen Zügen diejenigen Träume, die ihn am meisten peinigten und die zu erzählen er so begierig war, erzählen zu lassen. Ich erinnere mich, daß diese Träume ihn in beträchtliche Angst versetzten und auch noch andere Unannehmlichkeiten nach sich zogen.

FRAGE: Glauben Sie, daß Claudes Mitteilungen, sofern er Ihnen solche gemacht hat, wahr waren?

ANTWORT: Ja.

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