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Die flämische Bewegung

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Aus Elend und Not erwuchs die flämische Bewegung. Die Namen von Jan Franz Willems, Rodenbach, Ge-zelle, Conscience, Verriesta und viele andere stehen wie Meilensteine am langen, mühevollen Weg zur Befreiung aus geistiger Unmündigkeit. Ihr in der flämischen Sprache verfaßtes Werk weckte die Sehnsucht nach der versunkenen Herrlichkeit in den Herzen des Volkes wieder auf. Man sollte darüber aber auch die Männer nicht vergessen, die wie Priester Daens, Dr. August Borms, Florimond Gram-mens den bitteren Kampf auf sozialer und politischer Ebene führten.

In den beiden Weltkriegen wurde die Bewegung leider durch Kollaborateure arg kompromittiert. Ungemein scharfe Repressionen folgten, vor allem nach 1945, denen auch nur bedingt Schuldige zum Opfer fielen. Dabei hatte die Falkenhausen-Politik mit ihren Sympathien für Degrelle und seine Rexisten eher flamenfeindlich gewirkt.

Vor einem zweiten Marsch auf Brüssel

Die flämische Bewegung schien endgültig erledigt. 1950 tauchte sie dann doch bei der Königsfrage um Leopold wieder auf, und vor einigen Jahren tat sie sich im -Schulstreit hervor. Die junge Generation ist keineswegs gewillt, sich als Bürger zweiten Randes behandeln zu lassen. Das zeigte die massale Protestkundgebung in Brüssel im vergangenen Herbst, an der sich hunderttausend Flamen beteiligten. Und auch der zweite Marsch auf Brüssel am 21. Oktober dieses Jahres wird das erneut beweisen. Die Flamen bestehen auf ihrem Recht, wenn auch das Klima heutzutage weitaus milder und freundlicher ist als in früheren Kampfzeiten. Die erstrebte absolute Gleichberechtigung ist noch nicht erreicht, und das gern zum Vergleich herangeführte Vorbild der Schweiz bleibt ainer immer noch ein Wunschtraum der Flamen. Wir wollen das mit einigen Beispielen kurz erläutern.

Sozialer „numerus clausus“

Während die flämischen Elementarschulen 57 Prozent aller Schüler hervorbringen, sind sie auf der Universität nur mit 39 Prozent vertreten. Ob gleich sich das Heer zu 62 Prozent aus Flamen zusammensetzt, gibt es nicht einen flämischen General. Im Corps Diplomatie müssen sich die Flamen mit zwei Vertretern im Ausland zufriedengeben, Französisch ist in diesem Bereich die alleingültige Sprache. Gesetzesvorlagen zur Projektierung der Sprachgrenzen und zur Verwendung der flämischen Sprache im diplomatischen Dienst werden zur Zeit im Parlament behandelt.

Auch im wallonischen Lager und selbst bei den rücksichtslosesten Uni-taristen ist man sich völlig darüber im klaren, daß eine großherzige Dezentralisation in Belgien not tut. Damit wäre der inneren Ruhe und dem Wohlergehen des Volkes am besten gedient.

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