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Die Republikaner sind wieder da

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Nach den Präsidentschaftswahlen 1964 schien die Republikanische Partei am Boden zerstört zu sein. Mit 140 Sitzen im Repräsentantenhaus und 32 im Senat war sie im Kongreß schwächer vertreten als zu irgendeiner Zeit seit den frühen Roosevelt-Jahren. Nachdem sie jetzt 47 Sitze im Repräsentantenhaus und drei im Senat gewonnen hat, steht sie stärker da als in den letzten zehn Jahren.

Vor den Wahlen hatte Lyndon Johnson gemeint, wenn die Republikaner nicht mehr als 40 Sitze gewännen, mache ihm das nicht viel aus. Nachdem gerade die Gesetze, die Bausteine der „Großen Gesellschaft“ sind, nur mit Mehrheiten von knapp über 20 Stimmen durchkamen, mußte Mr. Johnsons Äußerung den Verdacht bestärken, daß er das Interesse an der „Großen Gesellschaft“ verloren hat. Nachdem die Republikaner nicht nur 40, sondern gleich 47 Stimmen im Repräsentantenhaus ergattert haben, sieht es für die „Große Gesellschaft“ sehr schlecht aus.

Abschied von der „Großen Gesellschaft“?

Obwohl ungefähr die Hälfte der neuen republikanischen Repräsentanten aus Gemäßigten besteht, zeigt das politische Profil des 90. Kongresses, daß die Gegner der „Großen Gesellschaft“ ungefähr dieselbe Mehrheit haben wie ihre Befürworter im 89. Kongreß. Wenn aber der Präsident tatsächlich nicht mehr an der „Großen Gesellschaft“ interessiert ist, mag ihm das gar nicht so unwillkommen sein, denn nun kann er den Republikanern den Schwarzen Peter zuschieben. Nicht nur sind die Gegner der „Großen Gesellschaft“ stärker geworden, son dern ihre Anhänger haben an Elan verloren. Deswegen, weil die 48, meistens jungen Kongreßabgeordneten, die 1964 an Johnsons Rockschößen in den Kongreß gelangten, dezimiert wurden. Von ihnen, die im großen und ganzen weit über dem Durchschnitt standen, sind nur wenige übriggeblieben. Die meisten von ihnen fühlten sich verpflichtet, die Vietnampolitik Johnsons zu unterstützen. Damit verloren sie viel Anhang zu Hause. Ihre tatkräftigsten Anhänger meinten, sozialer Fortschritt sei wichtiger als die amerikanische Intervention.

Die Wahlen bestätigen wieder, daß der amerikanische Wähler dazu neigt, nach einem beträchtlichen gesellschaftlichen Vormarsch Atem zu holen und seine Zielsetzung neu zu überlegen. Dies wäre nicht schlimm, wenn nicht die Gefahr bestünde, daß der neue Kongreß die zur Durchführung der, von seinem Vorgänger beschlossenen, Sozialgesetzgebung nötigen Mittel verweigern wird. Dann gäbe es Rückschritt statt einer Atempause.

Bisher ließ der von sich selbst so sehr eingenommene Johnson keine Gelegenheit vorübergehen, um seine innenpolitischen Erfolge zu seinem Vorteil mit denen seines Vorgängers zu vergleichen, obwohl die Tatsache, daß er 37 Demokraten mehr im Repräsentantenhaus hatte, dabei eine große Rolle spielte. Nun aber hat er 12 Stimmen weniger als Kennedy in der ersten Hälfte vor dessen Amtsperiode. Er wird erst beweisen müssen, was er aus diesen Umständen machen kann. Nachdem außerdem unter Kennedy die Verluste der Demokraten in den Zwischenwahlen sehr gering waren, wird Mr. Johnson wohl mit Vergleichen zurückhaltender werden.

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