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Die verweigerte Sublimierung

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Der Briefroman „Gräber raus aus den Friedhöfen” von Stephan Eibel-Erzberg läßt wieder einmal die Unentbehrlichkeit ambitionierter kleiner Verlage ganz deutlich werden. Denn obwohl der aus Eisenerz stammende, bislang den meisten seiner Leser schlicht als Stephan Eibel bekannte Autor einen guten Namen als österreichischer Dichter hat, darf man daran zweifeln, daß dieses streckenweise so drastische, dabei in seiner Grundstimmung zarte und traurige kleine Manuskript bei einem großen Verlag die Liebe gefunden hätte, welche die Voraussetzung für ein verlegerisches Risiko ist. Die Edition Splitter hat es gedruckt -man muß ihr (und den Subventionsgebern Bund und Stadt) dafür danken.

Dieses Buch ist nicht nur lesens-, sondern auch das Ansehen wert: Die

„Kinderzeichnungen” und Collagen, die einen integrierenden Teil des Textes darstellen, stammen vom Autor selbst.

Der sich immer mehr in den Vordergrund drängende Hintergrund ist ein zeitgeschichtlicher, der hier freilich auf eine so authentisch wirkende, gemein direkte Weise ausgebreitet wird, daß der österreichische „Kuschverein” (ein köstliches, im Roman kreiertes Wort) damit keine Freude haben kann. Eibel ist nicht nur ein Autor, sondern auch ein Mensch voller Ecken, und zu dem vielen, was sich hierzulande gehört und was er verweigert, zählt auch die literarische Sublimierung. Also jene Er- und Überhöhung des Zeitgeschichtlichen, die selbiges zum Symbol (oder zum ganz, ganz fernen Schicksal wohltuend Fremder) erhebt und es so dem möglicherweise nicht nur gefühlig, sondern vielleicht wirklich Betroffenen erleichtert, die Distanz zu halten, um die er sich womöglich schon ein Leben lang bemüht.

Das zeitgeschichtliche Rundherum einer Geschichte von rührender Zartheit ist die Geschichte selbst. Der Leser erfährt von der Beziehung zwischen dem Maler und dem Kind aus den Briefen, die das Kind erst viel später bekommen soll. So liest sie sich wie eine Botschaft an Spätere. Dabei läßt Eibel, und das gefällt mir so gut, den Leser immer wieder ins Jetzt und Hier der österreichischen Wirklichkeit plumpsen. Und mir gefällt auch, daß er dies auf erzähltechnisch subtile, ansonsten aber oft ziemlich brutale Weise tut. Er ist ein subtiler Registratur österreichischer Wirklichkeit, der sich weigert, diese Wirklichkeit zu sublimieren.

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