Die Unpolitischen

Diego Viga? Merken! Diego Viga!

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Als Paul Engel 1997 im Alter von 90 Jahren in Quito, Ecuador, verstarb, fand das in den deutschsprachigen Medien niemand besonderer Beachtung wert. Dabei hätten wir in Österreich allen Grund, ihn ehrenhaft in Erinnerung zu halten. Bevor die Nazis die Macht an sich rissen, stand ihm eine medizinische Karriere als Arzt und Forscher in Aussicht.

Als Jude musste er emigrieren, zog nach Lateinamerika, wo er schon einmal, als er nach den niedergeschlagenen Februaraufständen von 1934 Österreich für längere Zeit verlassen hatte, in einem Labor untergekommen war. Seine wissenschaftlichen Erfolge reichen nicht, um dieses Leben zu beschreiben; unter dem Namen Diego Viga veröffentlichte er eine stattliche Anzahl von Romanen. Sie wurden in der DDR wahrgenommen, erreichten jedoch die westliche Leserschaft kaum.

Reicht es, sich als bekennender Kommunist zu deklarieren, um verschwiegen zu werden, oder wird einem zum Verhängnis, ins Exil gegangen zu sein? Dass die Ignoranz ein kapitaler Fehler ist, lässt sich jetzt leicht überprüfen, da der Roman „Die Unpolitischen“, erstmals 1969 unter dem Titel „Die Parallelen schneiden sich“ erschienen, in einer vorzüglichen, von Erich Hackl herausgegebenen Ausgabe zu haben ist.

Das Buch bleibt nah an den eigenen Erfahrungen des Verfassers, wenn er Zeitgeschichte aus dem Blickwinkel verschiedener Figuren erzählt, die alle unter Einfluss der politischen Ereignisse stehen. In Form des inneren Monologs eignet er sich deren Denk- und Gefühlswelten an. Sie mögen sich, dem gebildeten Wiener Bürgertum entstammend, als unpolitisch definieren, werden aber unweigerlich hineingezogen in den Strudel der Politik, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Wie gehen die Einzelnen mit der bedrohlichen Lage, in der sie sich unvermittelt finden, um? Diego Viga zeichnet das Porträt einer Generation, die sich bisweilen so ahnungslos gibt, dass sie die düsteren Zeichen nicht erkennen will. Selbstmord mag einem als letzter Ausweg einfallen, wer es nicht ins Exil schafft, wird ins KZ verbracht.

Der Zeitraum umfasst die Nazi-Jahre bis zur Kapitulation. Das leuchtet ein, denn danach haben sich die Verhältnisse geändert, etwas Neues kann beginnen, so viel Hoffnung darf sein. Der Krieg ist vorbei, und Anna, die Frau von Johannes, dem Alter Ego des Verfassers, kann es nicht fassen, denkt an ihre Kinder: „Ja, ich bete plötzlich, Dank und Bitte. Bitte, dass sie ohne Krieg aufwachsen mögen. Dies muss der letzte Krieg gewesen sein.“

Es gilt keine Ausrede mehr, ab jetzt muss Diego Viga als wichtiger österreichischer Autor aufgenommen werden!

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