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Flucht des Rudolf Hess

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„... hörte ich plötzlich einen unartikulierten, fast tierischen Aufschrei. Dann brüllte Hitler: ,Wo ist Bor-mann?'"

Albert Speer, Hitlers Leibarchitekt, berichtet in seinen Memoiren von dem Moment, da die Nachricht vom Flug des „Stellvertreters des Führers", Rudolf Hess, nach England am Berghof eintraf- am 10. Mai 1941, vor 55 Jahren. Hitler war „lediglich besorgt, daß Churchill den Fall benützen könnte, Deutschlands Verbündeten einen Friedensfühler vorzutäuschen"...

„Nach meiner damaligen Auffassung trieb (Martin) Bormanns Ehrgeiz Hess zu diesem Verzeiflungsschritt. Hess, ebenfalls ehrgeizig, sah sich bei Hitler zunehmend ausgeschaltet ... Wahrscheinlich suchte Hess mit seinem Englandflug, nach so vielen Jahren im Hintergrund, Aufsehen und Erfolg zu erringen, denn er besaß nicht die Eigenschaften, die notwendig waren, sich inmitten eines Sumpfes von Intrigen und Machtkämpfen zu behaupten ... Als Typus entsprach er durchaus der Mehrheit der hohen Parteiführer, denen es schwer gelingen wollte, den Boden der Realität unter den Füßen zu behalten."

Martin Bormann, bis zu diesem Tag Sekretär bei Hess, übernahm nun dessen Funktion und wurde zur „grauen Eminenz" des NS-Regimes. Sein Ende in den letzten Kämpfen um die Reichskanzlei blieb ungeklärt.

Speer berichtet weiter: „25 Jahre später versicherte mir Hess im Spandauer Gefängnis allen Ernstes, daß ihm die Idee von überirdischen Kräften durch einen Traum eingegeben worden sei. Opponieren oder auch nur Hitler in Verlegenheit bringen, wollte er nicht. ,Wir garantieren England das Weltreich, dafür gibt es uns freie Hand in Europa', war die Botschaft, die er mit nach England nahm, ohne sie loszuwerden."

Von Hitler, der ihn als Verräter hängen lassen wollte, meinte Hess: „Er hätte sich mit mir ausgesöhnt... Und glauben Sie nicht, daß er 1945, als alles zu Ende ging, manchmal dachte: ,Hess hat doch recht gehabt'?"

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