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Für und wider das österreichische Wörterbuch“

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Zu der kritischen Stimme Dr. Hugo Z 1 e-nerts zu Einzelheiten des geplanten „österreichischen Wörterbuches“ (vgl. die „Furche“ Nr. 5/1950) geht uns folgende beachtenswerte Stellungnahme eines österreichischen V e r 1 a g s f a c hm a n n s zu:

Erlauben Sie, daß ich Sie zu den Ausführungen des Artikels „Das neue österreichische Wörterbuch“ von Dr. Hugo Zienert in der „Furche“ vom 28. Jänner beglückwünsche, in dem in vornehmer Art zu einer Angelegenheit Stellung genommen wird, die, etwa weniger vornehm ausgedrückt, ein Unglück zu werden droht. Folgende Fragen könnten im

Anschluß an den Artikel des Herrn Doktor Zienert vielleicht noch an die verantwortlichen Stellen gerichtet werden: Sind sich die Proponenten des neuen1 österreichischen Wörterbuches darüber klar, welche schwere Schädigung jedem einzelnen jungen Österreicher durch die amtliche Einführung eines solchen Wörterbuches dadurch entstünde, daß er in der Schule eine Rechtschreibung lernen würde, die im gesamten übrigen deutsehen Sprachraum für falsch angesehen und die überdies, wie auch in dem Artikel des Herrn Dr. Zienert angedeutet, den Stempel der Lächerlichkeit tragen würde? Sind sich die Redakteure des Wörterbuchs darüber klar, daß das gesamte graphische Gewerbe und das gesamte Verlagswesen Österreichs vor unlösbare Probleme gestellt würde, wenn man, kurz gesagt, in Österreich von Amts wegen den Duden abschaffen wollte? Sollen Bücher, die in Österreich gedruckt werden, vielleicht in Hinkunft in einer Auflage mit österreichischer Rechtschreibung und in einer Auflage mit jener Rechtschreibung gedruckt werden, welche nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz, bei allen Auslandsdeutschen und überall sonst auf der Welt für richtig angesehen wird, wo eben deutsch gesprochen wird? Aber auch innerhalb Österreichs würde durch das Erscheinen oder gar durch amtliche Ginführung eines solchen Wörterbuchs ein Chaos entstehen, weil man ja dem überwiegenden Teil der österreichischen Bevölkerung nicht zumuten kann, die neue Rechtschreibung zu erlernen, so daß sich eines schönes Tages der junge Schriftsteller nicht mehr mit seinem Lektor, der Vorgesetzte nicht mehr mit seinen jungen Angestellten und vielleicht uch der Lehrer nicht mehr mit seinem Schüler ohne mühsames Nachschlagen über die richtige Schreibweise eines Wortes einigen könnte. Dazu kommt aber, daß zweifellos der größte Teil der Bevölkerung die neue Rechtschreibung In der Praxis ganz einfach im Schreiben und im Lesen ablehnen würde. Aber all das kommt ja nur zu dem, was Herr Dr. Zienert in seinem Artikel gesagt hat, dazu. Hoffentlich wird der Artikel in seiner diskreten Ausdrucksweise auch von jenen verstanden, die er angeht. Die „Furche“ wird sich jedenfalls ein großes Verdienst erwerben, wenn sie durch weitere Veröffentlichungen zur Klarstellung dieser eminent wichtigen Frage beitragen würde.

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