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Glaube an die „gerechte Sache“

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Wie jemand, der um die Jahreswende 1933/34 und während der folgenden Wochen in Österreich lebte, von den Februarereignissen überrascht werden konnte, ist mir unverständlich. Es herrschte eine Atmosphäre wie vor einem Gewitter - man wartete nur, wann und wo der erste Blitz einschlagen würde.“ Joseph Simon (siehe Seite 9) hat als 22jähriger die Februarkatastrophe erlebt. Für ihn war der Kampf der Schutzbündler ein Einsatz für eine Bewegung, an die man glaubte, wie er in seinem äußerst lesenswerten Buch „Augenzeuge“ betont.

Vor zehn Jahren hat der mittlerweile verstorbene, überaus geschätzte Caritas-Präsident Leopold Ungar, der die Februarkäiiipfe 1934 als Student in Wien miterlebt hatte, davon gesprochen, daß „die Menschen für Ideale gekämpft“ hätten, „und diese Ideale hat es auf beiden Seiten gegeben“. Deswegen müsse man Respekt vor diesen Menschen haben. Zu verurteilen sei, daß man dem politischen Gegner mit offenem Haß begegnet sei und daß die Verantwortlichen diesen Haß geschürt hätten.

Daran - so Ungar damals — sei auch die Kirche nicht unbeteiligt gewesen, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern. Er habe als Theologiestudent in Frankreich erlebt, wie sogar den künftigen Priestern von seiten der Kirche Haß gegen den politischen Gegner eingeimpft wurde. Dazu sei noch eine unrealistische Einschätzung der politischen Situation durch den Klerus gekommen. Prälat Seipel etwa habe in einem Brief an Heimwehrführer Starhemberg den Aufstieg des Nationalsozialismusals einer entscheidenden Kraft gegen den Kommunismus positiv beurteilt.

Franz Olah, 1934 als 24jähriger in der Gewerkschaftsbewegung als Funktionär tätig, gibt der heutigen Generation zu bedenken, daß man nicht erst mit dem Rücken zur Wand Widerstand leisten dürfe. Olah war kein Schutzbündler, da er nach eigener Aussage „militärische Spielereien grundsätzlich ablehnte und von Privatarmeen nichts gehalten“ habe. Im entscheidenden Mo ment hätte er jedoch geschossen, obwohl jedermann gesehen habe, daß es sich um einen „aussichtslosen Todeskampf“ gehandelt habe. Militärischen Widerstand hätte auch Schuschnigg gegen Hitler leisten müssen, meint Olah.

Auf den heldenmütigen Kampf der sozialdemokratischen Februar- Kämpfer zum Schutz der Republik „in altösterreichischer Soldatentradition“ hat der — ebenfalls schon verstorbene - Zeitzeuge Richard Barta, Chef der Katholischen Presseagentur, einmal aufmerksam gemacht. Jede Seite habe geglaubt, der „gerechten Sache“ zu dienen. Nach den Kämpfen sei allerdings „mit Dummheit und Brutalität“ gegen die Besiegten vorgegangen und noch mehr zerstört worden.

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