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Im Zug der Ersten Republik

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Politische, wirtschaftliche und militärische Interessen haben sich immer Verkehrswege gebahnt. Das gilt nicht erst seit den Römerstraßen und endet nicht mit dem Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert. Aber obwohl mit der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entwicklung untrennbar verbunden, hat Verkehrsgeschichte als historische Disziplin fast noch immer den Anstrich von Liebhaberei. Sie wird so nebenbei erwähnt, oft nur als Anhängsel der Technikgeschichte.

Die beiden Historiker Georg Schmid und Peter Staudacher ziehen zusammen mit dem Sozialwissenschaftler Hans Lindenbaum dafür den Regriff Transportgeschichte vor und betteten ihn in im Forschungsprojekt „Eisenbahnen in Österreich. 1918 bis 1938” in den Zusammenhang der allgemeinen Geschichte ein. Nur etwas für Eisenbahnfreaks? Weit gefehlt. Das Ruch „Rewegung und Reharrung” - und das im Doppelsinn der Worte technisch wie politisch zu verstehen -, dem diese Forschungsarbeit zugrundeliegt, arbeitet in vier Teilen - Eisenbahnen, Stadtverkehr, Automobilismus und die politische Geschichte der Eisenbahner im Zeitraum von 1918 bis 1938 - ein Stück Zeitgeschichte erzählend und erklärend in bisher unbekannter, wohl auch ungewohnter Form auf. Eine Arbeit, der man aber die Schwierigkeiten kaum anmerkt, die die Autoren - zart angedeutet -zu bewältigen hatten: „Die Trans-portgeschichte ist (noch) nicht so namhaft, um seitens der Archive die ihr zustehende Wertschätzung zu erfahren.” Ins Aktenmaterial des Archivs der Wiener Verkehrsbetriebe wurde ihnen - sogar im Gegensatz zu Firmenarchiven - beispielsweise überhaupt kein Einblick gewährt.

Ein interessantes, leidvolles Stück Zeitgeschichte: Über Nacht brachen 1918 die alten Wirtschafts- und Verkehrsstrukturen zusammen, von den wichtigen Hauptbahnstrecken, die strahlenförmig auf die alte Reichshauptstadt ausgerichtet waren, blieb nur noch ein Torso - und eine Rahn zurück, die von allen früheren Kohlelieferanten abgeschnitten war. Die Elektrifizierung lief zaghaft an, ebenso begann die „Automobilisie-rung”, damit der Massenverkehr sowie der Konkurrenzkampf von Schiene und Straße. Dann die Wirtschaftskrise, Haltesignal für Rahn-und zukunftsweisende Nahverkehrspläne. Dazu Identitätsprobleme: von den Deutsch-Österreichischen

Staatsbahnen zu den Österreichischen Rundesbahnen (damals RRÖ). Ab 1923 ein eigener Wirtschaftskörper, fuhr die Rahn in den Rankrott. Am 1. März 1933 war die Rahn praktisch nicht mehr in der Lage, die Gehälter auszuzahlen. Eine schwere Krise, ein auslösendes Moment für den Untergang der Ersten Republik ...

Mit nicht abgedroschenen historischen Fotografien und Dokumenten illustriert, zudem um „oral history”-Zeugnisse ergänzt - ein Ruch, das nicht nur lesenswert ist, sondern ebenso gut zu lesen, nicht nur anschaulich, sondern auch ansehnlich.

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