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John le Carre führt den Geheimdienst vor

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Im neuen von John le Carre, „Der Schneider von Panama”, versuchen britische Geheimdienstler herauszufinden, wie es nach dem 31. Dezember 1999 in Panama weitergehen wird. Beziehungsweise mit dem Kanal, der an diesem Tag an Panama zurückfällt. Sie gehen dabei so idiotisch vor, daß das Ergebnis früh vorausgesehen werden kann.

Diese Voraussehbarkeit ist die einzige Schwäche des Bomans, der trotzdem, wie jeder le Carre, nicht nur spannend, sondern auch ein literarischer Genuß ist. Auch ist er eines seiner boshaftesten Bücher. Wie er die Mentalität der Drahtzieher hinter den Kulissen der britischen (vor dem Labour-Wahlsieg) und amerikanischen Politik vorführt, das ist schon köstlich. In einer gespenstischen Sitzung servieren die Leute vom britischen Dienst in Anwesenheit des Zeitungskönigs Hatry den US-Kollegen ihr Wissen - in der Hoffnung, sie für die Unterstützung ihrer Umsturzpläne in Panama gewinnen und dabei selbst möglichst viel Rahm abschöpfen zu können. Aber die Amis bleiben cool: „Verflucht. Dieser Kanal gehört doch euch, Elliot.' ,Und euch hat auch mal Indien gehört, Ben.”'

Die Briten wissen von einer Untergrundbewegung in Panama, die Waffen und Geld braucht und von den Großmächten für deren eigene Zwecke eingespannt werden soll. Wie die Briten zu diesem Wissen kommen, das ist die eigentliche Geschichte. Ein selbstgefälliger, ziemlich dummer Geheimdienstler schickt nämlich einen selbstgefälligen, ziemlich korrupten Anfänger nach Panama, ausgerüstet mit dem Wissen über die dunklen Punkte im Leben eines britischen Herrenschneiders, der die lokalen Größen einkleidet. Wie die Erpressung funktioniert, das liefert einen ungemein starken, langen, faszinierenden Romanbeginn voll psychologischer Finesse. Der Schneider erfindet, was er nicht weiß, und kommt immer mehr auf den Geschmack. Bis sich die angebliche Untergrundbewegung in Luft auflöst.

Auch den Moguln der britischen Medienwelt und deren dienstbaren Geistern schenkt le Carre nichts: „Ca-vendish hatte in finanzschwachen, abhängig gemachten Fachzeitschriften Artikelserien lanciert, die dann wiederum von größeren Zeitschriften marktschreierisch nachgebetet wurden, bis sie, die ganze Leiter rauf oder runter, auf den Innenseiten der Boulevardblätter landeten und von den Kommentatoren der degenerierten spßätabendlichen Fernsehmagazine in die sogenannte öffentliche Diskussion eingebracht wurden... denn nichts ist vorhersehbarer, als daß die Medien ihre eigenen Märchen nachplappern und sämtliche Wettbewerber in Panik darüber geraten, von den jeweils anderen ausgestochen zu werden, ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht, denn mal ganz ehrlich, meine Lieben, im heutigen Nach-richtengeschäft haben wir doch gar nicht die Leute... das heißt wir können unsere Meldungen schlichtweg nicht mehr überprüfen, sondern bloß noch aufgreifen, was andere Schmocks über irgendein Thema geschrieben haben, und es dann nachbeten.” Wem kommt das ganz unbekannt vor? Und was ist der Diana-Rummel gegen solche schleichende Indoktrinierung?

Was bei John le Carre in Panama • schiefgeht, ist natürlich auch nichts gegen das Entsetzen der amerikanischen Militäraktion gegen Nuriega mit ihren ungezählten Toten. Aber Carre wäre nicht Carre, hätte er dieses Entsetzen nicht in seinen Roman eingebaut und ihm damit den realen Hintergrund gegeben. So gelang ihm ein großer Agentenroman, geschrieben von einem hervorragenden Romancier mit humanem Engagement.

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