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Kehrseite literarischer Kulissen

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Akribische Recherchen, bislang unbekannte Details, ein neuer Blick auf Schnitzlers Werk und die Kunst, alle Fakten zu einem Bild zu vereinen, sind nur einige Vorzüge dieses Bandes.

Arthur Schnitzler, der von sich nichts preisgeben wollte, als jenes, was er „für die Öffentlichkeit geschrieben hatte“, also seine literarischen Arbeiten - möchte man zunächst annehmen - führte penibel wie kein zweiter Protokoll über sich selbst. Seine Tagebuchaufzeichnungen sind aber längst kein Geheimnis mehr, die er für die Nachwelt verfaßte, wie er selbst 1918 notiert: „Es ist mein brennender Wunsch, daß sie nicht verloren gehen.“

Wie untrennbar Privatleben und Werk bei Arthur Schnitzler ineinander verwoben sind, ist zwar bereits durch die Selbstzeugnisse des Autors bekannt, diese' jedoch zusammenzuführen, hat sich der Biograph zur Aufgabe gemacht. In seinem detaillierten Psychogramm versucht er den Dichter, den Hypochonder, den stets leidenden Liebhaber (Anatol) und unglücklichen Vater zu erfassen.

Nicht nur die „sicherlich schwierige“ Beziehung zum Vater sollten den aufstrebenden Poetą prägen, sondern auch das fast verschwiegene Verhältnis zur Mutter, dem der Biograph auf die Spur zu kommen versucht. Ulrich Weinzierl zieht dazu Schnitzlers aufgezeichnete Träume hinzu, die er in freudianischer Manier zu deuten weiß. Nicht zu unrecht, denn wie man weiß, wird „kein Schriftsteller, weder in Österreich noch im Ausland ... in so engem Zusammenhang mit Sigmund Freud gesehen wie Arthur Schnitzler - die ,Doppelgänger‘-Me- tapher begleitet und verfolgt ihn als postumer Schatten.“

Doch Weinzierl legt die Fakten über das Verhältnis Schnitzler-Freud klar vor, denn während vor allem die Familie, Julius, der Bruder des Dichters und Markus Hajek, sein Schwager, regelmäßigen Kontakt zu Freud pflegten, begnügte sich Schnitzler anfänglich mit der Rezensentenrolle, mittels der er den Übersetzer medizinischer Schriften lobt. Laut Schnitzlers Tagebucheintragungen und Weinzierls Folgerungen beschränkt sich Schnitzlers Freud-Lektüre bis 1906 auf die Studien über Hysterie und die Traumdeutung, was sich für einen akribischen Deuter eigener Träume, wie Schnitzler in dieser Biographie dargestellt wird, auch ziemt.

Auf interessante Weise setzt sich Weinzierl mit dem in der Schnitzler- Forschung fast schon bis zum Überdruß behandelten Thema „Frauen“ auseinander. In der Art der Zusammenführung von Tagebüchern, Briefen und Werk erhellen sich sukzessive die Hintergründe um die Mizis, Fannys und wie die „süßen Mädel“ noch geheißen haben mögen.

Doch nicht nur dem Liebhaber und Ehemann, sondern auch dem Vater Schnitzler wird in der Biographie Platz eingeräumt. Akribisch geht Weinzierl auch dem Selbstmord der Tochter Lili nach, die ihr Unglück in der Ehe mit dem italienischen Fascisten-Capitano Arnoldo Capellini fand. Sein Verständnis für Schnitzler beweist Weinzierl letztendlich auch darin, daß er nach Lilis Suizid nur noch Schnitzlers physisches Ende beschreibt.

Weinzierls Monographie kann als Lebensroman Arthur Schnitzlers gelesen werden, dessen Feder nicht viel anderes zu berichten gehabt hätte.

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