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Kein Unpolitischer

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Stefan Zweig wurde in Wien geboren, hat in Salzburg gelebt und starb verzweifelt in der kleinen brasilianischen Stadt Petropolis. Der Selbstmord 1942 schien ihm der einzige Ausweg, „nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet”. Der Sechzigjährige kam zur Überzeugung: „Man ist verloren, unser Leben auf Jahrzehnte zerstört ... für wen soll man schreiben, für was leben.” Stefan Zweig hatte seine Leserinnen und Leser in den zwanziger und dreißiger Jahren gefunden und nach dem Ende der Barbarei entdeckten sie ihn wieder: Seine Essays, seine literarischen Porträts großer Figuren der Geschichte wie Marie Antoinette, Erasmus von Rotterdam, Joseph Fouche, in denen er es verstanden hat, die Vergangenheit wiedererstehen zu lassen und „die ewige Flamme der großen Menschheitskonflikte anzufachen”, wie der französische Schriftsteller und Freund Romain Rolland geschrieben hat.

Zweigs Rücher wurden in 56 Sprachen übersetzt, die meisten dienten mehrmals als Vorlage für Filmdrehbücher. Fast alle erlebten in den letzten Jahren eine zweite Renaissance. Trotzdem ist der Früh vollendete, der seine ersten literarischen Versuche einem Feuilletonredakteur namens Theodor Herzl vorlegte, in seiner Heimat ein fast Unbekannter geblieben, wird über ihn in den USA mehr geforscht als an unseren Universitäten.

In einem im Residenz Verlag erschienenen Rand gelingt es den Herausgebern, auf vielfältige Weise Interesse für Zweig zu wecken und bislang unbeachtete Seiten der Persönlichkeit zu akzentuieren, etwa Zweig als zentrale Integrationsfigur des europäischen Geisteslebens, als einer, der sich um Übersetzungen und Begegnungen ebenso bemühte wie um junge Literaten. Die Ausschnitte aus dem Briefwechsel mit Romain Rolland machen deutlich, daß Zweig zu Unrecht den Stempel des unpolitischen Dichters trägt. So galt seine Sympathie durchaus der frühen Sowjetunion, doch Solidarität mit einem Stalin, der Massenmorde anordnete, konnte er sich schwer vorstellen.

Neben ausgewählten Zitaten aus Rriefen, 'Tagebüchern, Faksimiles aus seinem Nachlaß und längeren Reiträ-gen zu Persönlichkeiten, die Zweigs Leben entscheidend geprägt haben (Theodor Herzl, Bertha von Suttner, James Joyce, Sigmund Freud und Joseph Roth), wird sein Leben und Wirken anhand stimmungsvoller und zum Teil zum ersten Mal veröffentlichter Fotos erzählt. Eine mit Sorgfalt zusammengestellte Hommage, die Lust macht auf Zweigs Werk.

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