Das Ministerium der Sprichwörter Cover - © Haymon

Otto Grünmandl war mehr als ein Spaßmacher

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Anton Thuswaldner über die Romane von Otto Grünmandl

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Anton Thuswaldner über die Romane von Otto Grünmandl

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Otto Grünmandl (1924–2000) tat man gerne lächelnd als Tiroler Original ab. So stand er im Humoristen­-Eck, wo er nicht schädlich werden konnte. Man delektierte sich an seinen skurrilen Ideen, liebte ihn als Kabarettisten, der abseits vom Tagesgeschehen seinem angeblich unpolitischen Unterhaltungsgeschäft nachging. Ein liebenswerter Spinner, so sah die gängige Einschätzung aus.

Er trat auf Kleinkunstbühnen auf, erreichte via Radio ein ansehnliches Publikum. Wenn er die Rollen seltsamer Charaktere übernahm, war er der Meister des Schmunzelns. Dass man ihm damit unrecht tut, lässt sich jetzt mühelos überprüfen, da Grünmandl mit einer Werkausgabe geehrt wird. Damit leistet der Haymon-­Verlag seine längst überfällige Rehabilitation als Schriftsteller.

Dennoch bleibt er ein österreichisches Phänomen. Als Romanautor spielt er außerhalb unserer Grenzen keine Rolle, kein Wunder, ist er doch auch als Kabarettist weitgehend vergessen. Wieder einmal ist von einer Ungerechtigkeit des Literaturbetriebs zu berichten, dass einer, der so waghalsig war, etwas Eigenes zu machen, für seine Verweigerung des braven Erzählens mit Missachtung gestraft wird.

Das war schon zu Lebzeiten so, als sein Roman „Pizzarini“, der damals noch den Titel „Buchhalter“ trug, bereits druckfertig vom Verlag abgelehnt wurde. Tatsächlich liegt einige Sprengkraft im Buch, wenn einem peniblen Ordnungsfanatiker sein System, das eines des geregelten Denkens und Lebens bedeutet, zerfällt. Die Figur sieht so aus, als hätte Grünmandl bei Doderer nachgefragt, ob er sie ihm zu seiner eigenen Verwendung überlassen könnte.

In den biederen 1950er Jahren, da man endlich neuen Halt gefunden hatte, konnte man diesen subversiven Anschlag auf geordnete Verhältnisse nicht brauchen. Erst 2008, acht Jahre nach Grünmandls Tod, erschien der Roman im kleinen Tiroler Verlag Kyrene. Um Klamauk ging es Grünmandl nicht. Das legen auch die beiden anderen in diesem Band versammelten Romane, „Das Ministerium der Sprichwörter“ und „Es leuchtet die Ferne ...“, nahe. Er befindet sich in guter Gesellschaft, wenn er dem fatalen Zustand der Welt mit einer Komik begegnet, die bei ihm etwas Grüblerisch­Verbohrtes ebenso aufweist wie die Lust, die Sprache auf ihre Neigung, Abgründiges als Skurriles hervorzubringen, abzuklopfen.

Man muss Grünmandl nicht unbedingt als Neuerer der Literatur begrüßen, als einer, der dem Wahnwitz unserer Wirklichkeit verschrobene Gegenwelten entgegenhält, in denen wir selbst in mickriger Gestalt vorkommen, leistet er genug. Den Tauglichkeitstest, nach Jahrzehnten nicht als heillos verstaubt in die Archive abgelegt zu werden, bestehen diese Romane tadellos.

Der Autor ist Literaturkritiker.

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