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Digital In Arbeit

Phantasie in Farbe und Linien

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Es wird behauptet, daß die letzten Jahrzehnte eine verstärkte kindlich-primitive Hinneigung zu Bild und Abbildung gebracht hätten, die vom Bilderbuch über die Illustrierte bis zum Film reiche, und daß ihr Jugend und Alter gleich stark verfallen seien!

Sicher ist, daß ein Kinder- oder Jugendbuch, aber auch eine Reisebeschreibung, heute ohne Bebilderung kaum mehr denkbar ist und daß dort, wo das Photo nicht dafür herangezogen werden kann, die bunte oder einfarbige Illustration in ihr Recht tritt.

Es kann nun eine sehr verlockende Aufgabe für Künstler sein, den Bildern einer fremden Phantasie zu sinnfälligem Leben zu verhelfen und mit eigenen Mitteln und — soweit es der Respekt vor dem Text erlaubt — eigener Erfindung etwas zu schaffen, was bei aller inneren Bindung an den Inhalt und das Streben der jeweiligen Dichtung für sich selbst bestehen kann und eigene Werte besitzt. Zumindest sähe der Idealfall so aus, aber es hat zur Voraussetzung, daß eine echte Dichtung und ein wirklicher Künstler unter dem schützenden Dach eines Verlages zueinanderfinden, der auf einen weiten Kreis bibliophil interessierter Leser und Käufer zählen kann.

Es ist nun leider allzu klar, daß ein solches Zusammentreffen glücklicher Faktoren nur selten der Fall sein kann, und das Alltägliche sind daher — oft recht klägliche — Kompromisse. Kompromisse vor allem mit dem Geschmack des Lesepublikums, den man, wie sich leider leicht beweisen läßt, nicht sehr hoch einschätzen kann und dem sich der Verleger, der nun einmal auf den Absatz seiner Bücher angewiesen ist, unterordnen muß.

Und ebenso der Illustrator. Ja, der besonders. Denn seine Arbeit bestimmt bei Kinder- und Jugendbüchern entscheidend die Aufnahme in Buchhändler- und Käuferkreisen, und so ist er häufig ein bedauernswertes Wesen, das, mit Verantwortung belastet, alle Energie und Arbeitskraft einsetzen muß, um doch nur etwas hervorzubringen, was seinen eigenen Intentionen und Vorstellungen — entgegengesetzt ist.

Das bedeutet oft nicht nur eine bedauerliche Verschwendung an Talent und künstlerischer Potenz, sondern führt bei sensibleren oder weniger widerstandsfähigen Naturen auch zu nervlicher Zermürbung, künstlerischer Korrumpierung und einem Ende in öder Routine.

Es ist klar, daß ein Künstler um so schwerer unter diesem eigentlich philiströsen Zwang leidet, je begabter und eigenständiger er ist, und ebenso begreiflich, daß darum viele Gebiete der Kinder-und Jugendbuchillustration zur Domäne von Zeichnern werden, die zwar über wenig Können verfügen, dafür aber reichlich jene Pseudoromantik und Sentimentalität beisteuern, die „gefragt“ ist. Da sind dann alle dargestellten Kinderchen so „süß und drollig“, alle Tiere so „putzig“ und harmlos, und die ganze Welt sieht in solchen Büchern aus, als könnte man jedes Ding in ihr nur mit einem Diminutiv bezeichnen. Aber gerade diese Machwerke sind dann Verkaufsschlager.

Natürlich entstehen auch recht annehmbare, ja sogar gute Buchillustrationen (am ehesten auf dem Gebiet der Sagenstoffe und jener Märchen, die literarischen Rang haben).

Es liegt nahe, nach den Ursachen dieser Verhältnisse zu suchen, und ich habe in meiner reformsüchtigen Anfängerzeit immer wieder Illustrationen der guten und der schlechten Art den Leuten vorgelegt und um ihr Urteil gebeten, von denen nach Beruf und Vorbildung anzunehmen war, daß sie in höherem oder geringerem Maße kulturellen Bestrebungen zugänglich seien. Akademiker, Erzieher, Jugendführer — das Ergebnis war deprimierend. Wahrscheinlich liegt es daran, daß die Kinder- und Jugendbuchi 11 ustra t i on eben eine „Kunst für die Masse“ sein soll. Und damit ist sie ein Widerspruch in sich selbst und im weiteren ein Teilproblem des größeren Problems, welches das Verhältnis der großen Allgemeinheit zur Kunst darstellt.

Alle, die das bedauern, müssen sich vorläufig von den Ausnahmen der Regel trösten lassen, wie sie in so bezaubernder Vollkommenheit etwa in Ausstellungen französischer Buchgraphik zu sehen waren, wo auf prachtvollem Papier, in sorgfältigster drucktechnischer Wiedergabe Farbe und Linie gewordene Phantasie und Geschmack doch noch an schönere Möglichkeiten glauben ließen. Auch unser heimischer Markt hatte in den letzten Jahren schon manches Vielversprechende zu bieten. Es bleibt so die Hoffnung, daß aus diesen Ausnahmen in Zukunft vielleicht einmal Vorbilder werden.

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