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Präsident einer Universität...

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Evans und Novak begründen diese Wandlung zum Paulus damit, daß Johnson einsah, er brauchte eine breite nationale Basis, wenn er mehr werden wollte als ein südlicher Senator. Diese Erkenntnis betrachten sie ebenso als den Hauptgrund dafür, daß er Kennedys Angebot der Vizepräsidentschaft annahm. Als Majoritätsführer hatte er es geschickt verstanden, sich solche Macht zu verschaffen, wie keiner seiner Vorgänger. Nachdem dagegen ein Vizepräsident machtlos ist und außerdem sein politisches Geschick ganz und gar in den Händen des Präsidenten liegt, waren alle, einschließlich Kennedy, verblüfft, als er das Amt antrat. Weiterhin hätte so meinen Evans und Novak, sein politischer Mentor, Sam Rayburn, der inzwischen verstorbene Führer des Repräsentantenhauses, ihm gut zugeredet, weil dieser befürchtete, daß ohne Johnsons südlichen Anhang Kennedy unterläge.

Was immer Mr. Johnson zur Annahme bewogen haben mag, sehr bald hatte er von der Vizepräsidentschaft genug. Obwohl Präsident Kennedy sich Mühe gab, ihn bei guter Laune zu erhalten, war er verdrossen, störrisch und fühlte sich nicht als Mitglied des Regierungs-

teams. Als der Präsident ihn nach Errichtung der Mauer nach Berlin schickte, war er renitent. Die Verfasser behaupten, er hätte gemeint, Kennedy hätte keinen Plan, diese Krise zu meistern, und wenn es schiefginge, wäre er der Sündenbock. Es bedurfte eines direkten Befehles des Präsidenten, um ihn nach Berlin zu bringen. Schlesinger umschreibt diese Episode elegant. „Obwohl man Johnson nachsagt, daß er die Aussicht, nach Berlin zu gehen, mit etwas Kummer betrachtete ...“

Evans und Novak geben an, gegen Ende 1963 hätte seine Mißstimmung einen Höhepunkt erreicht. Er mißtraute Kennedys Versicherunigen, ihn auch für den zweiten Amtstermin auf die Liste zu setzten, und trug sich mit dem Gedanken, aus der Politik überhaupt auszuscheiden, um Präsident einer Universität in Texas zu werden. Dann kam Dallas und er wurde stattdessen Präsident der USA. Nun ist er aber als Präsident wiederum in einer Sackgasse, die in ihrer Art ebenso ausweglos erscheint als die frühere. Die Zukunft und die Gestalt der Johnson-Administration hängen von einzigartig widerspenstigen Ereignissen ab, die sich, 10.000 Meilen entfernt, in einem Krieg zutragen, dem man mit noch so meisterlicher Ausübung der prä-sidentiellen Macht nicht beikommen kann. Wie konnte es soweit kommen?

Das Argument, das manche Apologeten Mr. Johnsons vorbringen, er habe die Vietnamsituation von John F. Kennedy geerbt, ist nicht stichhaltig. Kennedy selbst erbte in Laos eine Situation, die gefährlicher und verworrener war als die Lage in Vietnam bei Johnsons Amtsantritt. Trotzdem vermochte Kennedy sich aus ihr herauszuwin-den. Nur diejenigen geben das nicht zu, die starrköpfig an der Meinung festhalten, die kommunistische Ideologie sei stärker als alle nationalen Differenzen. Solche Leute glauben eben auch, daß, wenn er nicht für die amerikanische Intervention gewesen wäre, der chinesische Tiger und der nordvietnamesische Wolf in trauter Gemeinsamkeit die Lämmer Asiens zerfleischt hätten.

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