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Reformansätze sind nirgends zu entdecken

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Was soll sich zum Besseren wandeln, wenn es nach den Wahlen nur wieder zu einer großen Koalition kommt?

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Was soll sich zum Besseren wandeln, wenn es nach den Wahlen nur wieder zu einer großen Koalition kommt?

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Nach dem unglaublichen Budget-Desaster der Koalition wage ich keine Aussage darüber, wer uns künftig regieren soll. Allein schon die bestürzende Tatsache, daß die Bundesregierung vor dem Sommer die Sozialpartner aufforderte, ein Einsparungskonzept für 30 Milliarden Schilling vorzulegen, und nach dem Sommer bekennen mußte, 30 Milliarden seien gar nicht ausreichend, es sei jetzt plötzlich ein „Loch” von 50 Milliarden Schilling zu stopfen, läßt einen erschreckenden Dilettantismus erkennen.

Dieser Koalition soll nach den Wahlen wieder die Verantwortung in der .Bundesregierung zugesprochen werden? Das ist eine harte Nuß für alle Wähler, die keine vorprogrammierten Stammwähler sind, sondern nach dem Grundsatz „Was es wiegt, das hat's” ihre Stimme abgeben. Diese Wähler stehen allerdings vor der ernüchternden Erkenntnis, daß sich nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge keine auch nur halbwegs realistische Alternative zur sogenannten „großen” Koalition abzeichnet.

Mathematisch wäre wohl auch nach dem Wahlgang eine schwarzblaue Koalition möglich, mit einer ganzen Reihe denkbarer kosmetischer Varianten Einzukalkulieren ist aber, daß eine derartige Regierungskoalition angesichts der Sprunghaf-tigkeit von Jörg Haider, der dank seiner Sprücheklopferei täglich zu jedem unberechenbaren Ausritt gut ist, eine höchst labile An gelegenheit wäre - ganz abgesehen von den ideologischen Konsequenzen und den Reaktionen im Ausland, die ganz gewiß alles übertreffen würden, was wir damals zur Zeit Kurt Waldheims erlebten.

Eine Ampel-Koalition zwischen SPO, Grünen und dem Liberalen Forum hat jetzt keine Mehrheit, und dürfte auch nach den Wahlen kaum sehr viel besser dastehen. Damit bleibt auch eine solche Möglichkeit äußerst vage. Deutlich wird noch, wie kurzsichtig es von der Volkspartei war, sich immer wieder von neuem mit den Grünen anzulegen, ohne strategischen Sinn für die Zukunft.

Somit dürfte nach den Wahlen nur die Wiedergeburt einer „großen” Koalition übrigbleiben. Das ist für mich kein Anlaß zur Begeisterung. Denn was soll sich da zum Besseren wenden? Es sei denn, die beiden bisherigen Regierungsparteien reformieren sich radikal an Haupt und Gliedern. Aber wie soll das geschehen? Wo man auch hinschaut - Ansätze zu einer solchen durchgreifenden Reform vermag ich weder bei den Roten noch bei den Schwarzen zu entdecken. In diesen Parteien hat man offenbar den Ernst der Stunde noch immer nicht erkannt. Sonst hätte man die Zusammenarbeit in der Koalition und die Notwendikeit einer neuen Politik ernster genommen, und den Kampf gegen Jörg Haider nicht auf die gebetsmühlen-artige Wiederholung seiner Zitate beschränkt, sondern gemeinsam und solidarisch überzeugender agiert. Obwohl ich von Natur ein eher optimistischer Mensch bin, stimmt mich die Lage pessimistisch. Aber vielleicht weckt ein völlig unvorhersehbares Votum der Wähler die Verantwortlichen endlich auf.

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