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S. M.

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Am 27. Jänner jährte sich der einhundertste Geburtstag Kaiser Wilhelms II. „Willy“, wie ihn seine Berliner, „the fabulous monster", das wundersame Fabeltier, wie ihn ein englischer Verehrer 1937 in einem berühmt gewordenen Werk nannte, war der populärste Mann Deutschlands. Ein Zeitalter hat von ihm seinen Namen erhalten: das „Wilhelminische“.

Wilhelm II. verkörperte Tugenden und Schattenseiten seiner Epoche in einem Maße, die von den Nachfahren als tragisch bezeichnet, von seinen deutschen Zeitgenossen bewundert oder ironisiert wurden. 1866, im Jahre von König- grätz, erhält der junge Prinz sein Königgrätz: den Erzieher Georg Hinzpeter. Freudlos, spartanisch hart erzieht dieser Kalvinist mit dem harten Gesicht den jungen, sensiblen, hochbegabten Menschen, der mit großer Anstrengung seinen verkrüppelten Arm verbirgt. Erst die Uniform wird ihm wirklich Halt geben. Hinzpeter überanstrengt den Jungen, fleischt ihm aber auch etwas ein, was alle Zukunft nicht ausmerzen und unsere Gegenwart nicht vergessen sollte: einen hohen Sinn für Recht und Gerechtigkeit. Hinzpeter führt den jungen Hohenzollernprinzen in Fabriken, bringt ihn mit Arbeitern ins Gespräch. Es ist eben dieser Sinn für Gerechtigkeit, der den Bruch mit Bismarck heraufbeschwört. Fürst Bismarck setzt zu einem Staatsstreich an, im Gewände einer neuen verschärften Sozialistengesetzgebung. Der junge Kaiser möchte Frieden mit den Arbeitern und entläßt Bismarck. Und fällt in die Hände schwächlicher und höchst gefährlicher Politiseure, die keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um den Kaiser in mißliche Affären hineinschlittern zu lassen. Hierbei kommen ihnen zu Hilfe: die hohe Begabung des jungen Mannes, seine Rednerbegabung, seine leichte Auffassungskraft, seine Unstetigkeit und nicht zuletzt die Tatsache, daß er, wie sein Feind Bismarck früh erkennt, „nichts Rechtes gelernt hat“. Der im Grunde seines Wesens arglose und anständige Mann, persönlich durch und durch sauber, verstrickt sich immer mehr im Gewirr der Schlingen, die ihm Feind und Freund in Deutschland legen. Als der Krieg 1914 ausbricht, wird er zum Schatten seiner selbst. Auf den Rat der obersten Heeresleitung'biri'.läßt žp Weh: 191' nach- Hob" landva&scfiieberf," wobei man'šheutė'eiB, daß-” selbst die deutsche Sozialdemokratie die Monarchie erhalten wissen wollte. 1941 läßt Hitler auch SS-Wachen vor dem Schloß in Doorn auf- ziehen. Auf dem äußeren Höhepunkt der deutschen Machtentfaltung.

1942 stirbt „S. M.“, der Kaiser, der einer Epoche den Namen gab. Seine Züge hatten in den letzten Jahren zunehmend die englische und russische Verwandtschaft hervortreten lassen, die Züge der Romanows und seines englischen Onkels, Eduard VII., der ihn so sehr verabscheut hatte. Nicht allzu lange vor seinem Tode saß er dem Dichter gegenüber, Reinhold Schneider, und ließ sich von ihm die große Legende seines Geschlechts vorlesen: „Die Hohenzollern.“

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