6570015-1950_15_17.jpg
Digital In Arbeit

Seltene Kunst

Werbung
Werbung
Werbung

Für die Illustration der gesamten heu-tgen Festnummer, mit Ausnahme des Titeltildes, haben die im nachstehenden Aufatz genannten heimischen Holzschnitt-hünstler Rose Reinhold, Hedwig zum To-tel, Otto Feil und Ernst Schrom in liebens-vürdiger Weise Schöpfungen aus ihrer btzten Schaffenszeit zur Verfügung gestellt. Für ihr Entgegenkommen sei ihnen hiemit gedankt.

„Die österreichische Furche“

Der Holzschnitt hat sich lange einer auigesprochenen Publikumsgunst erfreut. Die Gründe für seine entschiedene Geltung bei der breiten Masse sind augenfällig. Schon das Einzelblatt und später die zu „Blockbüchern“ gebun-deien Holzschnitte konnten dem Verlargen des Volkes nach religiösen Bildern endlich Rechnung tragen. Zur vo.len Bedeutung wurde der Holzschnitt abar durch die Erfindung der Druck-kunst erhoben, ließ sich doch der Holz-stock leicht in die Textplatte einfügen. Dtmit begann sein Siegeszug.

Aus dem Gesagten geht eindeutig hervor, daß der Holzschnitt vornehmlich ehern illustrativen Zweck unterstellt war, der natürlich mit Wolgemut, Dürer, Cranach, Baidung, Holbein und anderen de höchste künstlerische Erfüllung fand. Hier muß eingeschaltet werden, daß die handwerkliche Arbeit, also das richtige Holzschneiden, gewöhnlich nicht von jsnem Künstler besorgt wurde, der den zeichnerischen Entwurf beisteuerte, sondern vom sogenannten Formschneider. L'nd noch ein Umstand verschaffte dem Holzschnitt einen Vorrang: es schnitt sich auch im zähesten Langholz des Birnbaums noch immer viel leichter, als es sich mit dem Grabstichel in Kupfer grub. Deshalb sah sich auch für lange Zeit der Gegenpol des Holzschnitts, der Kupferstich, verdrängt. Aber auch der Holzschnitt selber mußte schließlich vor dem unaufhaltsamen Fortschritt mechanisierter Reproduktionsverfahren kapitulieren. Das hatte in vielen Dingen eine gewaltige Wandlung zur Folge. Vor allem schlug das letzte Stündlein für die Formschneider im Sinne von ehedem. In der Person eines modernen Künstlers, der noch den Holzschnitt zur künstlerischen Aussage bevorzugt, muß alles vereint sein, Entwerfender und Ausführender. Ohne Zweifel resultiert hieraus ein gewaltiges Plus für den ganzen Komplex Holzschnitt. Denn obwohl die mittelalterlichen Künstler ihre Zeichnungen schon derart ihrem Formschneider lieferten, daß er nicht gut anders schneiden konnte, als sie zeichneten, liegt doch die Annahme nahe, daß bei einer Vereinigung, wie oben erwähnt, das Feld freier wird, daß die Zeichnung des Künstlers schon beeinflußt wird von jener Technik, die diesem gerade „liegt“. Es ist selbstverständlich, daß der Themenkreis nun ein gänzlich anderer wird. Weder für die Illustration — hier noch am ehesten und dann meist sehr einfühlsam und geschickt — nqch für die Reproduktion kommt der Holzschnitt mehr in Frage. Also hieß es für seine noch immer sich findenden Anhänger, neue Aufgaben zu suchen. Landschaft und Architektur boten noch immer genügend Anziehungskraft, ja, es mußte geradezu verlocken, einmal nicht nach Gemälden zu schneiden, sondern so, wie die eigenen Augen sahen. Und seiner Fabulierlust brauchte man gerade beim Holzschnitt keine Zügel anzulegen. Er hebt ja nur alles Wesentliehe hervor und kann schon wegen seiner Robustheit sich auf keine besonderen Details einlassen. Es ergab sich aber noch ein anderes: die Geburtsstunde für sozusagen neue Stile hob an, denn fast jeder Holzschneider arbeitet technisch anders., und den zur Zeit Dürers gepflegten Linienschnitt oder jenen, in dem noch Rethels „Auch ein Totentanz“ gehalten ist, wird man heute nicht mehr finden.

Wenn vom österreichischen Holzschnitt die Rede ist, dann wird, vielleicht nicht nur von ganz Eingeweihten, sofort eines Künstlers gedacht werden, der allerdings diesem graphischen Verfahren nicht nur seine ganze, reiche Seele zuwandte, sondern es auch handwerklich mit kaum zu übertreffender Virtuosität beherrschte, an Switbert Lobisser. In der Tat ist er auch eine der geschlossensten Persönlichkeiten unter unseren heimatlichen Holzschneidern. Für den Holzschnitt schien Lobisser geradezu prädestiniert, seine biderbe Knorrigkeit, hinter der sich aber ein warmquellendes Gemüt verbarg, war diesem Zweig der graphischen Künste eher verwandt als einem anderen. Eine gewisse Rustikalität weist ja auch sein herzhaft ins Zeug gehender Schnitt auf, der nur in seinen Anfängen an die deutschen Meisterholzschnitte des 16. Jahrhunderts erinnert, später aber ursprüngliche Eigenart annimmt und ständig bewahrt wird. Seine Kunst ist bodenverwurzelt wie kaum eine, und er bekannte freudig, daß sein Land, sein Volk und seine Ev die wichtigsten Impulse für sein Schaffen waren. Für die Art, wie er arbeitete, ist vielleicht nichts so charakteristisch als der Umstand, daß er schon im 45. Lebensjahre stand, als er das Messer an einen Holzstock setzte, und daß sein Oeuvre am Ende seiner Tage 673 Blätter zählt, die er also in nicht ganz zwei Jahrzehnten schufl

Von der Bedeutung Rudolf- J u n k s war in diesen Blättern schon öfter die Sprache. Auch er hat viel Gebrauchsgraphik, Festblätter, Exlibris und anderes Phantasie- und geistvoll und in einer überfeinerten Manier geschnitten, aufzuweisen, aber, wie sein bester Kenner, Dr. Richard Kurt Donin, sagt, durchdrang ihn immer tiefer „die Erkenntnis, daß der Holzschnitt, aus dem sich ja einst der Buchdruck entwickelt hatte, auch den dem Buche adäquaten Buchschmuck stellen muß. Dabei verfeinerte er seine Holzschnittechnik und rückte von den Darstellungen der Natur ab, um eine abstrakte Ornamentik in immer festere Verbindung mit Bild und Schrift zu bringen, bis schließlich auf Ornamentik und Schrift das Hauptgewicht gelegt wird. Diese enge, aus Quellen kulturvoller Vergangenheit geschöpfte bildmäßige Verbindung von Schrift und Schmuck wird für alle Zeiten uns Junks Kunst wertvoll machen, wenn mit Ornamenten bloß äußerlich zusammengebrachte Schriftwerke längst verdienter

Vergessenheit anheimgefallen sein werden“.

Im farbigen Holzschnitt werden die Brüder Hans und Leo Frank nicht so leicht erreicht werden. Der leider schon verstorbene Hans und der noch lebende Leo Frank gehören zu den selten gewordenen All - round - Künstlern. Sie sind gleichwohl als ölmaler und Aquarellisten Könner ersten Ranges, übten jede Art graphischer Kunst mit Meisterschaft aus, aber in ihren Farbholzschnitten stehen sie einmalig da. In verwirrend schönen Blumenstücken und Landschaften, deren Stimmungsgehalt manchmal leise an ostasiatische Einflüsse erinnert, verblüffen sie — beide Künstler sind übrigens wesensverschieden — technisch derart, daß auch Kenner zuweilen fürs erste nicht im klaren waren, welchem Zweig der Graphik sie diese Blätter zuweisen sollten, trotzdem das mehr oder weniger übergangslose Nebeneinander der Farben stets zu denken gibt. Wer ein Frank-Blatt besitzt, darf mit Berechtigung auf diesen Schatz — denn einen solchen stellt er dar — stolz sein.

L. H. Jungnickel und Norbertine Breßlern-Roth holten sich ihre Vorwürfe aus der Tierwelt, letztere sie mit üppiger Farbenpracht und zielsicherem Schnitt gestaltend.

Bei den bisher genanten Künstlern finden wir mitunter recht ansehnliche Druckplatten, bei den folgenden fast nur kleine, ja kleinste Maße. Es ist die echte Gebrauchsgraphik, der gehuldigt wird, die aber imstande ist, durch ihr hohes Niveau die Zweckgebundenheit zu adeln.

Wiewohl die Holzschneidekunst etwas Männliches an sich hat, können auch einige Frauen sich mit Fug und Recht darin Meister nennen. Da ist vor allem Rose R e i n h o 1 d. Diese Coßmann-Schülerin hat mit richtigem Erfassen rechtzeitig erkannt, wo ihre Stärke liegt, und hat sich bald dem Holzschnitt zugewendet. Sie liebt es, zu vereinfachen, das Nebensächliche auszuschalten, was nur dem möglich ist, der fähig ist, wie sie, alles Charakteristische mit einem Male zu erkennen und in ein paar Strichen festzuhalten. Es ist das eine sehr rasch zum Wesentlichen vordringende Art, die für den Holzschneider unerläßlich ist. Ihr bis jetzt schon bedeutsames Oeuvre, das mittelgroße bis kleinste Blätter enthält, zeugt von keiner Behinderung in der Stoffwahl, stets sich mehrendem Ideenreichtum, glücklichem formalem Aufbau und einer technischen Durchführung in einem sehr persönlichen Profil.

In einer Manier, die das Schwarz neben das Weiß trotz kurviger Ubergänge sehr kontrastreich setzt, arbeitet Hedwig zum Tobel. Diese hochbegabte Künstlerin zeigt eine ausgesprochene Eigenart. Ihr Themenkreis ist tiefsinnig zu nennen, und sie trägt ihn mit geradezu leidenschaftlicher Verve vor. Und bei alldem wirken ihre großen Blätter, was fast gegensätzlich und in diesem Falle sogar beeinträchtigend klingt, auch noch dekorativ. Aber Effekthascherei liegt dieser ernsten Frau ferner als sonst etwas, sie dient nur demütig ihrer Kunst, sie kann nicht anders.

Noch seien Maria Klimbacher und Sylvia Penther erwähnt, dann aber sei unserer „Kleinmeister“ des Holzschnitts gedacht. Allzufrüh hinweggerafft wurde der in vielen Sätteln heimische, in seiner Aussage immer ungewöhnliche Willy Sauer. Ein Künstler, der in seinen Schöpfungen wieder der Ornamentik einen besonderen Rang einräumt, ist uns in Ernst S c h r o m erwachsen. Ganz wundervoll ist das manchmal fast tropische Wuchern seiner Blüten und Blätter und der sorgsam ordnende Sinn, der schließlich alles harmonisch ausrichtet. Ornamental betont ist auch das Werk Karl Hasel-b ö c k s, er besticht durch eine zärtlichkeusche Linienführung. In Linz leben drei Künstler, die der Gebrauchsgraphik ein wertvolles Gepräge geben: der humorvoll-groteske Max K i s 1 i n g e r, der in der Schriftgestaltung ausgezeichnete Franz Lehrer und der aus einem poetisch hochgestimmten Empfinden heraus arbeitende Toni H o f e r. Mit einem für die heutige Zeit großartigen sittlichen Ernst und erstaunlichem Eifer schafft Hofer Blatt um Blatt, an jedes seine ganze Liebe verschwendend.

Den Beschluß möge der Wiener Otto Feil machen. Dieser feine Künstler kann wegen einer schweren Fingerverletzung nur mehr in Linol schneiden. Was diesem Material abzugewinnen ist, das vermag er. Neben der Gebrauchsgraphik — sein Werk umfaßt bereits gegen 400 Stücke — kann er stolz auf schöne“ Mappenwerke mit Stadt- und Landschaftsveduten verweisen.

Eine Frage noch: Wie sieht es mit der Zeitnähe des Holzschnitts der Gegenwart aus? Da scheint es nun so, als ob er dem Grauenvollen, von dem wir ja noch immer nicht erlöst sind, auswiche. Die Flucht ist begreiflich. Und so verbrämt man sich und uns den Alltag bis morgen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung