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Vergessen

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große Sprache, sie reden österreichisch. Man könnte Manager in die Ebene der sterbenden Schlösser führen, man könnte Kulturtagungen am Eisemen Vorhang veranstalten … Aber man vertreibe die stille Größe nicht aus dieser Ebene, in der sehr vieles sehr klein wird.“ Trotz seiner Existenz als „Nacht- und Sonntagsschreiber“, wie er sich selbst nennt – Fritsch ist seit 1951 bei den Wiener Städtischen Büchereien angestellt, wo er auch acht Jahre ausharren soll, sieht er seine Erfüllung im Schreiben.

Zehn Jahre nach dem Krieg konnten den österreichischen Autor nicht vergessen lassen, was einst für ihn Realität gewesen ist: „Es wurde auch nicht vergessen/ es wurde nur die Erinnerung milder“, daß sie für Fritsch aber nicht milder geworden ist, beweist er 1967 in seinem Hauptwerk, dem Roman „Fasching“. Sechs Jahre war er bereits als freier Schriftsteller tätig, sechs Jahre, in denen der Autor vor dem Literaturförderer zurücktritt. Mit der Übemahme der Redaktion von „Wort in der Zeit“ stellt sich Fritsch zwischen zwei Generationen, die konservativen Verhinderer und die jungen österreichischen Autoren. Thomas Bernhard, Peter Handke, Gerhard Rühm, um nur einige zu nennen, bereitete Fritsch ein Podium zur Veröffentlichung ihrer Texte. Doch die Herausgeber, wollten von dieser Literatur nichts wissen und damit auch nichts von Fritsch als Redakteur.

Nach der Einstellung von „Wort in der Zeit“ antwortet Fritsch 1966 mit der Gründung von zwei auch heute noch wichtigen Literaturzeitschriften, „Literatur und Kritik“ und „protokoUe“.

Ein Jahr später erscheint mit „Fasching“ Fritschs Abrechnung mit der österreichischen Vergangenheit, die ihn Zeit seines Lebens nicht verlassen sollte. Felix, der Protagonist, wollte sich nicht länger den „Gesetzen des Schlachthauses Deutschland“ unterwerfen. Er desertiert und wird von den Bewohnern seines Dorfes an die Russen ausgeliefert, nachdem er die letzten Kriegsmonate als Frau getarnt überlebt hat. Die Provinz als Abschreckung vor dem Provinzialismus.

RUFER IN DER WÜSTE

„Enttäuscht, verkannt und verraten“ fühlt sich der Held aus Fritschs erstem Roman „Moos auf den Steinen“, und dies sollte auch für den Autor zwölf Jahre später Realität werden. Der locus amoenus des Debütromans macht in „Fasching“ einer abstoßenden Kleinstadt Platz. Die Rückkehr des Anti-Helden in sein Dorf nach zehn Jahren läßt ihn seine Vergangenheit ein zweites Mal erleben. Man kann sich selbst nicht entkommen, könnte, lapidar ausgedrückt, die Botschaft dieses Werkes sein.

Unverständnis und Verrisse waren die Reaktion auf Fritschs Hauptwerk. Übersetzt: Der Dichter, der die Wahrheit schreibt, wird ins Abseits gedrängt.

Als Gerhard Fritsch am 22. März 1969 freiwillig aus dem Leben schied, war er allein, allein mit einem Roman, der vielleicht eine Antwort auf das Unverständnis, das ihm entgegengebracht worden ist, geworden wäre. Dieses Fragment vurde fünf Jahre danach von Alois Brandstetter herausgegeben. Heute ist es ebenso vergriffen wie das Gesamtwerk.

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