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Verhinderter Kaiser

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Wer die Originalausgabe dieser Biographie übersehen hat, sollte die Lektüre dieses informativen und flüssig geschriebenen Taschenbuches jetzt unbedingt nachholen.

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Er war ein „Renaissancemensch“, nicht im Sinne einer umfassenden Bildung, wohl aber in seinem Machtwillen: Franz Ferdinand, der nach dem Tode des Kronprinzen Rudolf von Kaiser Franz Joseph widerwillig und nach langem Zögern zum Thronfolger ernannt wurde. Er stand zum Kaiser in einem gespannten Verhältnis, war „Seiner Majestät getreueste Opposition“. Den nicht wenigen Biographien über diese disharmonische Persönlichkeit hat Friedrich Weißen- steiner eine eigene hinzugefügt.

Man hat viel von der unbezähmbaren Jagdleidenschaft Franz Ferdinands gehört, einiges über die Liebe zu seiner Frau Sophie, die vom Hof und auch vom Kaiser bis hin in den Tod so schnöde behandelt worden ist, deren starke Zuneigung aber dazu beigetragen hat, daß Franz Ferdinand nach schwerer, langer Zeit eine unheilbar scheinende Lungenkrankheit doch überwinden konnte. Daß beide ihr Leben vor jetzt 80 Jahren ausgerechnet an ihrem 14. Hochzeitstag lassen mußten, ist eine besondere Tragik des Schicksals.

Es wurde oft darüber gerätselt, ob Franz Ferdinand die Donaumonarchie durch eine zeitgemäße Politik hätte retten können. Aber das sind Spekulationen. Er hatte zweifellos Reformideen, doch einen konkreten Plan zum Umbau des Staates hat er nie erkennen lassen. Seine Abneigung gegen die maßgebenden mag- jarischen Adels- und Grundbesitzerschichten und deren schrankenlose Minderheitenpolitik ist bekannt. Von der ursprünglichen Idee, auch den Ländern der Wenzelskrone im Rahmen des Reiches eine ähnliche Sonderstellung einzuräumen wie sie jene seit dem Ausgleich von 1867 hatten, ist er später offenbar abgekommen. Er war durch und durch Soldat, stellte sich aber bei der bosnischen Annexionskrise (1909), wohl aus realpolitischer Einsicht, gegen einen Präventivkrieg, für den sein Berater Conrad von Hötzendorf eingetreten war.

Die Männer um Franz Ferdinand werden in dem Buch überaus interessant geschildert und zitiert. Franz Ferdinand hatte aber nur wenige bleibende Freunde, ausgenommen seinen immer treuen Kammerdiener Janaczek. Menschlich berührend ist die besondere Liebe, die ihm seine Stiefmutter Maria Theresia (die dritte Frau seines Vaters), eine portugiesische Prinzessin immer geradezu vorbildlich erwies. Ihr und seiner Frau hatte Franz Ferdinand viel zu danken, in einer sonst eher verständnislosen Umwelt der Brüder und sonstigen Verwandten.

FRANZ FERDINAND.

Der verhinderte Herrscher.

Von Friedrich ffleißensteiner.

R. Piper Verlag, m München 1994.

246 Seiten, öS 132,-.

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