6732798-1966_06_10.jpg
Digital In Arbeit

VON AUTOREN UND VERLEGER!

Werbung
Werbung
Werbung

Eingangs muß ich gestehen, daß die literarische Welt schon immer eine besondere Anziehungskraft auf mich ausübte. In London lernte ich einen sehr belesenen Mann namens Buckthorne kennen. Dieser teilte mir bereitwillig sehr viel Wissenswertes mit.

„Die literarische Welt”, so sprach er, „besteht aus lauter kleinen Bünden. Jede dieser Gemeinschaften betrachtet ihre Mitglieder als die Leuchten des Alls, sämtliche Außenstehenden aber nur als vergängliche Meteore, dazu verdammt, zu fallen und vergessen ziu werden, indes die Geistesgrößen der eigenen Brüderschaft auserwählt sind, im Lichte der Unsterblichkeit zu erstrahlen.”

„Mit Verlaub”, wagte ich einzuwerfen, „wie soll man es anstellen, um Einblick in jene Bünde zu bekommen? Ich nehme doch an, daß man dm Umgang mit Schriftstellern seine eigenen Erkenntnisse in der treffendsten und zugleich gefälligsten Formulierung darbieten muß.”

„Oho, oho, weit gefehlt!” erwiderte Buckthorne lächelnd. „Glauben Sie ja nicht, daß Sie sich auf solche Weise bei Schöngeistern beliebt machen! Literaten gehen nicht in Gesellschaft, um den Witz und den Einfallsreichtum anderer zu bewundern. — Nun ja, ich dachte einst genauso wie Sie und suchte nie einen literarischen Zirkel auf, ohne mir vorher meine Rolle bis in alle Einzelheiten zurechtgelegt zu haben. Die Folge davon war, daß mir bald der Ruf eines unerträglichen Schwätzers vorausging, und binnen kurzem wäre ich wahrscheinlidh überhaupt geächtet worden, hätte ich mein Verhalten nicht grundlegend geändert. Wenn Sie schon unbedingt etwas sagen wollen, dann warten Sie, bis Sie mit einem Autor allein sind, und dann ergehen Sie sich in Ausdrücken höchsten Lobes über seme Schriften oder, was fast ebenso gern gehört wird, geben Sie mit einigen Worten Ihre Geringschätzung der Werke aller übrigen schreibenden Zeitgenossen zu verstehen. Sollte der Autor anerkennend vom Schaffen eines seiner Freunde sprechen, dann behaupten Sie kühn das Gegenteil. Sagen Sie ohne Scheu, dieser Freund sei eine Scheingröße, eine glatte Null. Ob Sie damit Ihren Gesprächspartner nicht verstimmen würden? Ach, keine Sorge! Man redet zwar so viel von der Empfindlichkeit der Schriftsteller, doch ich habe noch nie einen Mann der Feder getroffen, der solch einen Widerspruch übelgenommen hätte. Ja, ja, mein Bester, wenn es gilt, die Fehler und Schwächen ihrer Kollegen einzugestehen, dann sind Schriftsteller außerordentlich konziliant.”

„Im übrigen, wenn Sie nach Herzenslust loben und schwärmen wollen, dann halten Sie sich an die Schriftsteller vergangener Jahrhunderte”, riet der treffliche Buckthorne. „Besonders empfehlenswert ist die Epoche der Königin Elisabeth. Und je obskurer der Autor, je seltsamer und verworrener seine Schreibweise, desto deutlicher wird Ihre Bewunderung die wirkliche, echte Kennerschaft verraten. Entscheidet sich doch auch der Feinschmecker genießerisch für abgelegenes Wildbret, dem bereits würziger Hautgout eignet.”

Kurz darauf hatte ich die Ehre, zu einem richtigen Literarischen Diner geladen zu sein, das in einem großen Verlagshaus stattfand. „Es gibt im Reiche der Literatur ganz bestimmte, klar erkennbare Trennungslinien”, führte mein Tischnachbar Buckthorne aus. „Sie können die Berühmtheit eines Autors recht gut nach dem Wein beurteilen, den sein Verleger ihm vorsetzt. Etwa bei der Dritten Auflage überschreitet ein Schriftsteller die Portweingrenze und begibt sich in den Bereich des französischen Rotweins. Und wenn er bei der Sechsten oder Siebenten Auflage hält, dann kann er in Burgunder und Champagner schwelgen.”

„Bitte, wie weit sind die Herren, die ich hier versammelt sehe? Gibt es einige Rotweintrinker unter ihnen?” fragte ich.

„Kaum, kaum. Bei diesen großen Diners treffen Sie das einfache Volk unter den Autoren, Leute mit höchstens zwei Auflagen. Wenn auch Männer von Bedeutung eingeladen werden, dann wissen diese wohl, daß sie — hm, sozusagen eine Sippung der Stämme im Reich des Schrifttums zu gewärtigen haben, bei der nach einfachen Rezepten gesotten und gebraten, getäfelt und geredet wird.”

,Solche Hinweise erleichterten mir das Verständnis der Sitzordnung. Ein bekannter Dichter hatte den Ehrenplatz inne, neben ihm saß ein Reiseschriftsteller, auf satiniertem Papier in Quartformat gedruckt und mit Bildtafeln illustriert. Sein anderer Nachbar war ein mit großer Sorgfalt gekleideter älterer Herr, dessen geistreiche, geschliffene Essays — als dünnes Oktavbändchen im Buchhandel — sehr viel Beachtung fanden. Weiter unten waren bescheidene Poeten und Autoren, die sich noch keinen Namen gemacht hatten, placiert worden. Der Dichter, getragen vom Selbstvertrauen des Erfolgreichen, war sehr fröhlich und sagte viele witzige, kluge Dinge. Der Verleger lachte schallend und die übrige Gesellschaft gab nach jedem Aperęu in geziemender Weise ihr Ergötzen und ihre Bewunderung kund.

Als der Wein eingeschenkt wurde, kamen die bescheidenen Autoren in Stimmung. Aber ihre Witze fanden bei den Spit2en der Gesellschaft keinen Widerhall. Nicht einmal der Hausherr erachtete es für geboten, wenigstens anerkennend zu lächeln. „Es muß eben ein gewisser Grad von Publikumsbeliebtheit erreicht sein, ehe ein Verleger es sich leisten kann, über den Scherz eines Autors zu lachen”, bemerkte Buckthorne tiefsinnig.

Nach dem Diner begaben wir uns in den Salon, um dort den Tee zu trinken. Der Dichter und der Oktavformat- Essayist waren in ihrem Element und bewegten sich mit vollendeter Noblesse. Sie nahmen die Dame des Hauses in ihre Mitte und sagten ihr tausend Komplimente und Schmeicheleien, daß ihr vor Entzücken der Atem stockte. Und die anderen Autoren? Nun, einige versammelten sich ehrfürchtig um den Verleger, schüchterne Dichterlinge standen zu zweit oder zu dritt herum und machten befangen und mit gedämpfter Stimme Konversation. Der weitere Verlauf des Abends würde also wohl kaum sehr anregend sein. Jedenfalls hatte ich manche neue Eindrücke und Erkenntnisse gewonnen, darum stellte ich meine geleerte Tasse nieder, verabschiedete mich und überließ dem namhaften Dichter und dem vornehmen Verfasser des Oktavbändchens voll und ganz das Feld…

(Aus dem Englischen übersetzt von Günther Martin)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung