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Warnschuß für die CDU

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Eine der CDU nahestehende Zeitung sprach von einem Erdrutsch in Nordrhein-Westfalen. Das entsprach der Stimmung in der Partei, die seit nahezu zwanzig Jahren, mit ein paar Jahren Unterbrechung, die Regierung in Düsseldorf geführt hat. Dabei war die CDU schon nicht mit allzu großer Siegeszuversicht in die Wahlen hineingegangen. Es herrschte eine gewisse Malaise vor, deren Ursprung aber nicht nur in den Landesverhältnissen, sondern auch im Bund zu suchen war. Daher stellte die CDU betont ein Kopf-an-Kopf- Rennen in Aussicht. Daß sie aber klar hinter der SPD Zurückbleiben würde, das hatte niemand erwartet, weder die CDU noch die SPD.

Meyers als Winkelried

Die Computer haben auch diesmal prompt gearbeitet. Keine zwei Stunden nach Schluß der Wahlhand lung wurde das Gesamtergebnis mit ziemlicher Genauigkeit vorausgesagt. Die Politiker, die sich dem Fernsehen zur Kommentierung zur Verfügung gestellt hatten, befanden sich infolgedessen in einer einigermaßen fatalen Lage. Sie konnten nicht im Verlauf von Stunden, während sich der Trend allmählich abzeichnete, sich ihre Meinung zurechtmachen. Sie mußten vielmehr im Handumdrehen Rede und Antwort stehen. Heinz Kühn von der SPD, vor Wochen in Nordrhein-Westfalen noch wenig bekannt, obwohl aus Köln gebürtig, tat dies mit der Attitüde des Ministerpräsidenten von morgen. Der Regierungschef von gestern, Franz Meyers, erwies sich auch in dieser Stunde als ein Voll blutpolitiker. Er wies alle Auslegungskünste kurzerhand zurück und erklärte: „Dies war meine Wahl. Ich habe diese Wahl gemacht und sie verloren.“

Daß Meyers derart resolut in die Bresche sprang, hatte seinen guten Grund. Die SPD begann nämlich, kaum daß ihr Sieg feststand, mit vollen Segeln auf ein weiteres Ziel zuzusteuern. Willy Brandt und sämtliche SPD-Sprecher hieben in die gleiche Kerbe: Die CDU habe ihre Wahl nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern im Bund verloren; der eigentliche Verlierer sitze in Bonn und heiße Ludwig Erhard. Das bezog sich nicht allein auf dessen Auftreten in den letzten Tagen, sondern der Stoß sollte tiefer treffen. Die SPD will sich die Wege zur großen Koalition in Bonn öffnen und verspricht sich dabei einige Aussichten. Sie weiß aber, daß sie damit nicht weiterkommt, solange Erhard im Palais Schaumburg residiert. Folglich muß, von ihr her gesehen, Erhard fallen. Der Kanzler hat es der SPD dabei scheinbar leichtge- macht. In seinen letzten Wahlreden hatte er nicht sonderlich geistesgegenwärtig operiert. Er stieß auf Lärmkolonnen in Wahlversammlungen, wobei gleichgültig sein kann, ob diese organisiert waren oder nicht, und versuchte, ihrer Herr zu werden, indem er mit Worten wie „Uhus“ und „Gesindel“ um sich warf. Dieses Verhalten war auch in der CDU auf erhebliche Kritik gestoßen. Auch in den Reihen dieser Partei wird es manchen geben, der zumindest ein Quentchen des CDU-Ver- lustes auf das Konto dieser Vorfälle schreibt.

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