6731284-1965_49_64.jpg
Digital In Arbeit

„Wer ist wer“ in der „Furche“?

Werbung
Werbung
Werbung

ALS IM ZUGE IMMER LÄNGER dauernder Redaktionskonferenzen wortreich die Arbeit an vorliegender Jubiläumsnummer disponiert wurde, da hielt ich mich bescheiden im Hintergrund. Und wirklich — fast wäre es gelungen, die hektischen Wochen der Beilagenvorbereitung unauffällig und ohne aufgebürdete zusätzliche Lasten zu überstehen, hätte mich nicht eines Tages der Chefredakteur gerufen: „Sie verfügen“, stellte er in jeden Widerspruch ausschließendem Ton fest, „über den notwendigen trockenen Humor, die Mitglieder der Redaktion den Lesern so zu präsentieren, daß keine Laudationes herauskommen.“

Ehe ich den Mund öffnen und auf meine Humorlosigkeit hinweisen konnte, läutete das Cheftelephon, jede weitere Diskussion abschneidend.

Wohl war mir nicht dabei: daß sich der Journalist ohne Mühe Feinde schaffen kann, ist nicht neu. Daß er sich aber durch das, was er schreibt, Feinde sogar in den Reihen seiner Kollegen machen kann, ist neu und wiederfuhr mir nun. Doch was half's? Aus der Anonymität des schweigenden, Interesse markierenden Teilnehmers an den Redaktionskonferenzen war ich nun einmal ans Tageslicht gezogen. Und so begann Ich, meine Kollegen genauer zu beobachten, folgte ihnen auf Schritt und Tritt, mit der unaufdringlichen Beharrlichkeit, die unseren Berufsstand auszeichnet, heftete meinen geistesabwesenden Blick auf sie, bis sie betroffen zusammenzuckten.

Selbstverständlich sollte mein Auftrag geheim bleiben, um mich vor jeglicher Beeinflussung zu sichern. Selbstverständlich wußte bald die ganze Redaktion davon ...

Bereitwillig halfen mir denn auch alle: Die einen, indem sie Erheiterndes über sich, die anderen, indem sie ebensolches über die Kollegen erzählten. Mit dem, was ich da erfuhr, könnte Kollege „adabei“ einige Zeit auskommen...

ENDLICH HATTE ICH ALLES beisammen, was ich wissen mußte. Und so stelle ich nun den Stab der „Furche“ dem Leserkreis vor, wirkungsvoll unterstützt von der spitzen Zeichenfeder unseres Romulus Candea.

Univ.-Prof. Dr. Anton Burghardt, Herausgeber der „Furche“, gab sich gelassen, als er von meiner Absicht erfuhr: „Sie werden schon im eigenen Interesse nichts Unpassendes schreiben.“ Den Lesern seit Bestehen des Blattes bereits als Autor vertraut, auch unter den Pseudonymen „...“ und „ ...“ (die natürlich unter Redaktionsgeheimnis fallen), hat Prof. Burghardt — von Eingeweihten vertraulich Prof. Burghardt genannt — vor etwa einem Jahr die Herausgeberschaft übernommen. Der Wirtschaftsfachmann Burghardt — Dkfm., Dr. rer. merc. —, der nebenbei auch noch Fachvorstand an der Textil-handelsakademie Wien V und außerordentlicher Professor an der rechts-und staatswissenschaftlichen Fakultät der Grazer Universität ist, sitzt, wie er selbst bemerkt, „in einem Museum“, nämlich im unverändert gebliebenen Arbeitszimmer Dr. Friedrich Funders, an dessen Tür eine Tafel, „Funder-Archiv“, prangt. Burghardt, Beiratspräsident der KSJ („Die Leser von morgen!“), schenkt der Jugend viel Aufmerksamkeit: in zahlreichen Vorträgen, Diskussionen, Aufsätzen. Ergebnis: der „Staatspreis für publizistische

Leistungen im Dienste der Jugend“ 1963.

Sitzt der Herausgeber im „Funder-Archiv“, so weigert sich der Chefredakteur beharrlich, aus dem kleinsten Zimmer der Redaktion, in das ihn Dr. Funder 1948 gesetzt hat, auszuziehen. Der Dr. phü. Kurt Skalnik (Geschichte) leitet seit 1957 die Redaktion, mir bei jedem „Anpfiff“ versichernd, wie sehr ich es doch besser hätte als er selbst unter der festen Hand Dr. Funders. Auch Österreichs Fernseher kennen ihn aus der Chefredakteursdiskussion (er ist der, der immer Pfeife raucht und damit vor allem den Dr. Portisch zum Husten bringt). Für einen

Anfänger manchmal erschreckend ist das gelegentliche Verfallen des Chefs in militärischen Kommandoton, was von den „Alten“ mit nachsichtigem Lächeln zur Kenntnis genommen wird. Einen Spitznamen hat er auch: „Tellerkappen-Skalnik“ (weil er diese Art Hut halt gar nicht mag). Den kennt er aber schon und ärgert sich nicht mehr darüber. Der Historiker und Publizist Skalnik wurde 1960 und 1962 durch Preise aus dem

„Theodor-Körner-Stiftungsfonds“ und 1965 auch der „Leopold-Kun-schak-Stiftunig“ geehrt. Seit mehr als zehn Jahren präsidiert er der ..Arbeitsgemeinschaft katholischer Journalisten Österreichs“.

EHRFÜRCHTIG BEHANDELTER MENTOR des Nachwuchses ist Chefredakteurstellvertreter Dr. Roman

Herle: Schon seit 1927 „beim Geschäft“ — in der Redaktion des neugegründeten „Kleinen Volksblattes“ —, gibt es kaum technische Fragen des internen Zeitungsbetriebes, über die Dr. Herle nicht Bescheid weiß. Auch als Stilautorität, gegen deren Entscheid keine Berufung möglich ist, genießt der Altphilologe und Germanist Herle größtes Ansehen: Keiner versteht es wie er, etwa die Probleme der Beistrichsetzung den staunenden Jungen in kaum einstündiger Rede fesselnd darzulegen oder ein falsches lateinisches Zitat in ätzender Schärfe zu geißeln. Mit dem „Preis der Stadt Wien“ und anderen Ehrungen ausgezeichnet wurde der Publizist Herle vor allem für Leistungen auf dem Gebiet der „9. Seligkeit“, des Films.

Als einziges Redaktionsmitglied meiner Absicht mit einigem Mißtrauen gegenüberstehend: Der Ressortchef für Kultur, Prof. Dr. Helmut A. Fiechtner, das an Dienstjahren älteste Redaktionsmitglied der „Furche“. Seine schwach geäußerten Bedenken, die ganze Sache würde möglicherweise gar nicht so lustig werden, wurden nur von mir geteilt. Und so wurden wir beide eben überstimmt. Prof. Fiechtner, bereits seit 1946 der Redaktion angehörig, Dr. phil. und früher Lehrerseminarprofessor, verkörpert das musisch-ästhetische Element des Blattes, ist also die Rechtfertigung der Tatsache, daß die „Furche“ eine „kulturpolitische Wochenschrift ist. Seine streitbare Feder stets dann mit Vorliebe einsetzend, wenn das Getümmel um die Wiener Oper einem Höhepunkt zu erreichen droht, widmet unser „Musikprofessor“ seine Aufmerksamkeit außerdem vor allem der neuen, der zeitgenössischen Musik und ihren Erscheinungsformen. Als Hofmannsthal-Forscher im In- und Ausland anerkannt, wurde Fiechtner vor einiger Zeit mit dem französischen Orden „Arts et lettres“ ausgezeichnet.

BILDREDAKTION UND UMBRUCH: Oltnda Pawek, Tochter eines berühmten Vaters („Das optische Zeitalter“) — was sie allerdings ungern hört. Deshalb sei es galanterweise auch hier verschwiegen. Ihr Ehrgeiz, aus der „Furche“ eine Illustrierte zu machen, wird manchmal gebremst, was das Mädchen Olinda in den Schmollwinkel zu treiben vermag. Immerhin geben alle Kollegen neidlos zu, daß ihnen die Tätigkeit des Mädchens, das die Welt vor allem durch das Objektiv der Kamera sieht, etliches an Arbeit abnimmt. Als einziges weibliches Redaktionsmitglied hat sie's natürlich anderseits auch in vielem leichter, selbst bei den Metteuren. Ein zeitungswissenschaftliches Doktorat ist im Werden. Preise und Auszeichnungen: keine (kommt noch!).

Bewährter „Einspringer“ ist Gunther Martin, ein „fest gebundener freier Mitarbeiter“ (das heißt, er vereinigt in sich die Vorteile beider

Stellungen, ohne die Nachteile zur Kenntnis zu nehmen). Er bringt einen Hauch angelsächsischer Welt in das nüchtern-wienerische Redaktionsklima. Martin, nebenbei geschätzter und gesuchter Ubersetzer, kümmert sich im Kulturressort vor allem um die leichtere Muse (weniger lyrisch gesprochen: er ist ein Operettennarr) und um die bildende Kunst. Er ist stolz, herausgefunden zu haben, was er eigentlich ist: ein „Lodendandy“, der sich nicht ungern mit einem britischen Kolonialoffizier verglichen weiß. Ruhe und Gelassenheit wahrhaft angelsächsischen Ausmaßes und eine — vorsichtig ausgedrückt — gewisse Portion Großzügigkeit helfen ihm auch in schwierigsten Situationen, den Kopf zu bewahren, eine Tugend — oder Untugend —, die weniger zurückhaltende Redaktionsmitglieder gelegentlich rot sehen läßt.

Romulus Candea schließlich, der versucht hat, mit dem Zeichenstift das auszudrücken, was meine ungenauen, subjektiven und oberflächlichen Charakterschilderungen nicht auszusagen vermögen, zeichnet in der „Furche“ bereits seit 1958. Sein Stift, ebenso der Mode unterworfen wie die Gestaltung unseres Blattes, zeichnet manchmal dicker, manchmal dünner, manchmal gegenständlicher, manchmal abstrakter. Ganz stolz ist er, wenn er zu einer Karikatur nur zwei bis drei dünne Federstricherln gebraucht hat: ein Stil, den hinwiederum der Chefredakteur nicht gerade umwerfend komisch findet. Candea, für seine Jugendbuchillu-strationen („Stanislause“) mehrmals mit dem Staatspreis ausgezeichnet, schenkt in letzter Zeit immer mehr den DM-Sirenenklängen Gehör, steht also mit einem Fuß in der Wiener Strozzigasse, mit dem anderen an Rhein und Ruhr, mit dem dritten — wegen Arbeitsüberlastung — wahrscheinlich bald im Krankenbett.

„REDAKTEURASPIRANT“ IST KEIN barocker Diensttitel, sondern eine Bezeichnung, die das Journalistengesetz für Adepten des Zeitungsschreibens vorsieht: Seit kurzem nun ist auch der „Furche“ ein Paar solcher „Lehrbuben“ zur Ausbildung übergeben worden. Sicherlich, mangels Lokalteil kann diese Ausbildung — zumindest nach Ansicht von in Ehren ergrauten Reportern — nur unvollkommen sein:

Uber Mord, Einbruch und Verkehrsunfall wird ja in den Spalten der „Furche“ nie berichtet. Und gerade darüber berichtet zu haben, gilt — mangels anderer Ausbildungsbehelfe — heute immer noch als klassische Schule des Journalismus. Walter Sehaffelhofer und Alfred Treiber werden — zumindest hoffen sie's selbst — trotz dieser unvollkommenen Schulung sicherlich gute Journalisten. Treiber — Germanistikstudent — ist nicht mehr Greenhorn: Die redaktionelle Leitung des „blinkfeuer“ läßt ihn über manche

Anfängertorheiten nur weise lächeln. Und der Jusstudent Schaffelhofer — einer seiner Freunde über ihn: „Ein Willensmensch und Arbeitstier“ — hat sich mit Schwung in die Arbeit gestürzt, eine Arbeit, die ihm — trotz gelegentlicher Unmutsäußerungen — offenbar Spaß bereitet.

Von Anfang an dabei war Hella Lainer, Mitarbeiterin von Dr. Friedrich Funder, die zusammen mit Maria Kotera die mühseligen und meist unbedankten Geschäfte eines Redaktionssekretariates führt.

Außenstehende haben davon keinerlei Vorstellung: Da sind höflich, aber bestimmt, die Einsender der berühmten „unverlangt eingesendeten Manuskripte“ zu vertrösten, da gilt es, diplomatisch vorzugehen, wenn sich ein Gewitter zusammenzuziehen droht, Korrespondenz muß geführt, Handschriften entziffert werden...

HALT, HABEN WIR JETZT, zum Schluß, nicht noch jemanden vergessen? Ich muß nachzählen... Eben. Wäre peinlich gewesen, würde er fehlen, der „Sitzredakteur“ des Blattes, der die Ressorts „Wissenschaft und Forschung“, „Die Reportage“ und „Briefe an den Herausgeber“ führt, sich ein bissei um Innenpolitik kümmert und außerdem regelmäßig einen „Kopf der Woche“ herbeischleppt. Dr. phil. ist er übrigens, Historiker, um es zu präzisieren, seit fast drei Jahren Mitglied der Redaktion. Nach eigener Ansicht — wie jeder seiner Kollegen — unentbehrlich. Über trockenen Humor soll er verfügen, heißt's. Leider. Denn es war — wie er allen ungefragt versichert — eine Mordsarbeit, die Redaktion zu charakterisieren, ohne in den Ton einer Maturazeitung zu verfallen. Wie der fast Vergessene denn eigentlich heißt? Im Impressum steht er vermerkt. Doch um Ihnen drs viele Blättern zu ersparen: Horst F. Mayer heißt er. Und ob er wirklich trockenen Humor hat? Der Chefredakteur ist jetzt auch nicht mehr ganz so sicher...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung