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Wo die Sonne nicht untergeht

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SÄMTLICHE WERKE. Von Franz Grillparzer. Carl-Hanser-Verlag, München. 1356 Seiten. Subskriptionspreis: 1. Band 29.50 DM, Einzelpreis 33 DM.

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SÄMTLICHE WERKE. Von Franz Grillparzer. Carl-Hanser-Verlag, München. 1356 Seiten. Subskriptionspreis: 1. Band 29.50 DM, Einzelpreis 33 DM.

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Sieht man von der durch Laube und Weilen im Todesjahr des Dichters veranstalteten zehnbändigen Ausgabe ab, bleiben neben einer den allgemeinen Zwecken und einer breiteren Wirkung gewidmeten sechzehnteiligen (in fünf Bänden vereinigten), durch Moritz Necker als „Sämtliche Werke" im Jahre 1902 bezeichneten Edition nur die im Jahre 1948 abgeschlossenen 43 Bände der historischkritischen Ausgabe als einigermaßen greifbar übrig. Aber sowohl die erste Gesamtausgabe als auch die historisch-philologisch mehrfach überholten Klassikerausgaben (wie die genannte bei Hesse, Leipzig) sind nur mit Findigkeit in Antiquariaten aufzustöbern; die große historisch-kritische Ausgabe, von der eine Reihe von Bänden vergriffen ist, entzieht sich allgemeinerer Verwendung. So ist es, nahezu 90 Jahre nach der ersten Gesamtausgabe, ein Ereignis besonderer Art, wenn der erste Band der auf vier Bände veranschlagten Gesamtausgabe im Dünndruck vorliegt. Diese Bände können auch einzeln — allerdings zum oben angezeigten Einzelpreis, ohne die Subskriptionsermäßigung — bezogen werden. Wer allerdings den ersten Band in dem biegsamen, silbergrauen Leinen, mit dem vorzüglichen Persia-Papier und mit der klaren und leicht lesbaren Bembo-Antiqua, vor sich auf dem Tisch liegen hat, der wird sich mit einem Bande keineswegs bescheiden, und sich auf den Tag freuen, der die handlichen Bände (Format 11,5 X 19 cm) vereint.

„Ich glaube nun selbst: ich bin ein Tor, in Deutschland sagt man mir's täglich vor, die aber sich Östreichs Weise nennen, geben mir's pantomimisch zu erkennen“ — nun, das stimmt heute nicht mehr.

Schreyvogel): das „Goldene Vlies“ (gleichfalls mit Entwurf einer Vorrede und mit der „Zueignung an Desdemona" — Charlotte von Paumgartten). Dann schließen sich „König Ottokars Glück und Ende“. „Ein treuer Diener seines Herrn" sowie der Operntext „Melusina“ — für Beethoven gedacht, fünf Jahre nach dessen Tod von Konradin Kreutzer erworben — und der schätzenswerte, 112 Seiten umfassende Anmerkungsteil an. — Wir wir

Der Erfolg der vor einigen Jahren im gleichen Verlag erschienenen Anthologie „Deutsche Dichtung des Barock“ hat ermutigt, sich jener Zeit zuzuwenden, die von Vorurteilen abschätzig behandelt wurde und von anderen „Wohlmeinenden“ einfach übergangen worden ist. Dabei

haben vereinzelte Ausgaben, formal weitaus beschränkterer Art als der vorliegende Band (zum Beispiel „Die Vergessenen“, hundert deutsche Gedichte des 17. und 18. Jahrhunderts, ausgewählt von Heinrich Fischer, Berlin 1936), genug über die dichterischen Werte ausgesagt. Mit Genugtuung finden wir in Elschenbroichs fleißiger Sammelarbeit rund ein halbes hundert Dichter mit Texten, denen man bisher nur in mühevoller Sucharbeit hab

haft werden konnte; Dichter, mit denen sich eine Begegnung wirklich lohnt, wo Atmosphäre, Zeit- und Lebensgefühl zu finden sind. Von den raren Autoren mögen nur erwähnt sein: B. H. Brockes (von dem Herder rühmend gesprochen hat), dessen Oratorium „Der sterbende Jesus“ Händel vertonte; dann den „Heili

gen des Protestantismus“, Gerhard Ter- steegen, der auf Kierkegaard wirkte; J. L. Meyer von Knbnau, den Jakob Grimm sehr schätze; J. N. Götz. J. P. Uz, Ch. A. Clodius, Lichtwer, Pfeffel, Rabener, Sturz und andere. Wien ist mit L. L. Haschka (vier Oden) vertreten. Die Auswahl. welche auch Schweizer Autoren einschließt, ist so getroffen, daß die bezeichnenden Linien überall hervortreten.

DEUTSCHE L1EEESDICHTUNG AUS ACHTHUNDERT JAHREN. Herausgegeben von Friedhelm Kemp. Kösel-Verlag, München. 651 Seiten. Preis 25.80 DM.

Der sehr geschmackvoll gebundene Rauhleinenband mit rötlichem Rückenschild und Golddruck hat, wie der Herausgeber im Abschnitt „Anordnung und Textgestaltung“ nach den 17 Seiten seines Nachwortes ausführt, als leitendes Ordnungsprinzip sich das Geschichtlich-Organische ausgesucht. Es gehört daher mit zu den besonderen Genüssen bei de" Lektüre, nicht nur die Entwicklungsstufen an sich, sondern auch die Einzelgestalten der Dichter und ihre Welt zu betrachten, ihnen nachzufühlen und nicht zuletzt die thematischen Fäden zu verfolgen, die von den (im Original gedruckten, im Register in neuhochdeutsche Prosa übertragenen) mittelhochdeutschen Gedichten bis in die Gegenwart reichen (Gertrud Kolmar und Rudolf Borchardt bilden den Schluß). Die Verwendung des Mittelhochdeutschen und des Frühneuhochdeutschen ist sehr verdienstlich und wird überdies, abgesehen von nützlichen Studienzwecken, vielen das Ohr öffnen für den in der heutigen Sprache kaum ganz wiederzugebenden naiven Reiz, für den Zauber des Wertausdruckes. Es war der Morgen eines -schönen Tages unserer Sprache. Noch blaute der Himmel, noch konnte und durfte ein Unbekannter „suozer rosen- varwer munt“ singen . . . achthundert Jahre, Freunde . aber wer sagt, daß wir arm sind? Hanns Salaschck

Ein deutscher Verlag macht diese große Gesamtausgabe, auch bei uns fehlt es nicht an Bemühungen, trotzdem es Auch- Weise gibt, die an Grillparzer herumkritteln. „Ich rede nicht, wo jeder spricht“, hat er selbst geschrieben, „ein Dichter der letzten Dinge". Es möge das redliche Bemühen jeder Generation sein, sich ihren Grillparzer aufs neue zu erringen und mit ihm die Worte aus dem Jahre 1853 sagen: „Wo alle schweigen, schweig ich nicht.“

Der erste Band bringt uns sämtliche Gedichte und Epigramme, und zwar abweichend von der bisher üblichen thematischen Reihung, in chronologischer Folge, getreu Grillparzers Worten: „Meine Gedichte sind meine Biographie." Als Text liegt die historisch-kritische Ausgabe zugrunde; aber alle Berichtigungen, wie sie die Anmerkungen und die Apparatbände dieser Edition sowie die Grillparzer-Jahr- bücher gebracht haben, sind eingearbeitet. Auf die Verse folgen die Übersetzungsfragmente: aus Torquato Tassos „Befreitem Jerusalem“; ferner das Couplet des Pagen aus der Oper „Franęoise de Foix“, die 1812 in Wien aufgeführt worden war (Musik von Josef Weigl); dann kommen ein Stück aus dem vierten Gesang von Byrons „Childe Harold“ (Byrons Einfluß auf die Gedichte Grillparzers der damaligen Zeit ist bekannt) und 20 Zeilen aus dem 1. Buch des Argonautenepos von Appollonius Rhodius (Quelle zum „Goldenen Vlies“).

Der erste Teil der Dramen Grillparzers beginnt mit der „Ahnfrau“ (angefügt die Widmungen — Entwurf und tatsächliche Widmung — an den Grafen Palffy und die geplante Vorrede); es folgt „Sappho“ (mit dem Entwurf einer Widmung an

hören, soll die Ausgabe im Frühjahr 1962 vollendet sein. Wir werden vom Fortgang jeweils berichten.

DEUTSCHE DICHTUNG IM 18. JAHRHUNDERT. Herausgegeben von Adalbert Elschenbroich. Carl-Hanser-Verlag, München. 742 Seiten. Preis 19.80 DM.

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