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Zu neuen Ufern!

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In diesen Tagen ist die „Furche“ zwanzig Jahre alt geworden: In unserer jubiläumsfreudigen Zeit ein ausreichender Anlaß, das Gedächtnis dessen in Erinnerung zu rufen, der ihr Gründer war, der Umstände zu gedenken, unter denen sie ins Leben trat, und den Weg zu verfolgen, auf dem sie das ihr gesteckte Ziel zu erreichen bemüht war.

Friedrich Funder ist es gewesen, dem wir die Existenz dieser katholischen Wochenzeitung verdanken. In schon hohen Jahren hat der unermüdliche, von Tatkraft und unbeugsamer Zuversicht erfüllte Kämpfer diese verlegerische und journalistische Großtat vollbracht. Noch als Jüngling hatte er sich, getragen von innerer Berufung, erfüllt von flammender katholischer Gesinnung, ausgestattet mit reichen Talenten, das Presseapostolat zur Lebensaufgabe gewählt. Durch Jahrzehnte war er Chefredakteur der „Reichspost“ gewesen und hatte in aufreibender Unrast und unbekümmerter Hingabe die schwere Pflicht erfüllt, den Katholiken Österreichs eine Tageszeitung zu bieten, die in den weiten, kaum übersehbaren Bereichen kirchlichen und öffentlichen Lebens und ihrer vielen Zusammenhänge unterrichten, klären und führen sollte. Es ist einfach nicht möglich, den Menschen von heute nahezubringen, wie ungeheuer die Schwierigkeiten waren, unter denen er größte Erfolge errungen hat. Und dann kam der Tag, an dem sein Lebenswerk hinweggefegt wurde, an dem ihn die brutale Willkür von Dämonen besessener Eindringlinge den Schrecken und Todesgefahren ihrer Konzentrationslager überantwortete.

Sieben lange Jahre sollte die bange Nacht währen, die über Funder und alles, was ihm auf dieser Welt teuer gewesen ist, hereingebrochen war. Nicht einen Augenblick hat er daran gezweifelt, daß sie wieder einem lichten Tag weichen würde. Und als dessen verheißungsvolle Morgenröte ihm und uns allen aufging, fand sie ihn, der inzwischen schon das siebzigste der ihm zugemessenen Lebensjahre überschritten hatte, ungebrochen und zu einem neuen Unternehmen bereit Vielleicht darf man behaupten, daß mit der Gründung dieser Wochenzeitung auch ein geheimer Wunsch ihres Gründers in Erfüllung ging: Dem Nestor der katholischen Journalisten Österreichs, der Funder inzwischen geworden war, mag es schon lange darnach verlangt haben, in einem Blatt den reichen Schatz seines überzeugungsstarken Glaubens, seines profunden Wissens, seiner vielen Erfahrungen zu vermitteln, das anders als die einst von Ihm so glänzend geführte Tageszeitung gegenüber den sich jagenden Ereignissen jene Haltung besonnener Gelassenheit ermöglichte, durch die sich der Christ von den Kindern dieser Welt unterscheiden soll.

Und noch etwas: In den Jahren nach dem Zusammenbruch des alten Reiches hatte der Chefredakteur der „Reichspost“ nur sehr schweren Herzens den für ihn und viele so bitteren Weg in die damalige neue Zeit gefunden. Jetzt aber war ihm längst die Einsicht geschenkt worden, daß nichts wiederkehrt; daf! ständig ein neuer Tag zu neuer Ufern lockt, daß es nun in wohlverstandener, edler Unabhängigkeit zu bekennen und zu verkünden galt, wie unwiderruflich die vielen Veränderungen waren, die sich in Kirche, Welt und Vaterland und in ihrem Verhältnis zueinander vollzogen hatten. So wurde die neue Wochenzeitung zum entschlossenen Wegbereiter des Neuen und zum Wegweiser darin: Eine große, eine gewaltige, eine nicht sogleich, nicht immer und nicht von allen verstandene Aufgabe und Leistung. Vor sechs Jahren hat der Tod dem nimmermüden Streiter für Christi Reich und Österreichs Ehre die Feder aus der Hand genommen. Andere haben sein Vermächtnis als Erbe und Auftrag überantwortet erhalten. Haben sie jenes gewahrt und vermehrt und diesen erfüllt? Eine Frage, die gestellt werden muß. Ich zögere nicht, sie mit „ja“ zu beantworten.

Dabei vergesse ich nicht, daß die „Furche“ seit ihrem Bestehen und nicht zuletzt in letzter Zeit heftiger Kritik auch in den sogenannten eigenen Reihen begegnete. Nicht nur, daß der eine oder andere der erschienenen Beiträge nicht gefiel. Sie wurde auch von nicht wenigen ihrer Gesamthaltung wegen angegriffen. Das geschah nicht immer in verständnisvoller oder gar liebreicher Weise. (Viele dieser Kritiker zählten nicht einmal zu den Lesern des Blattes, das sie befehdeten.) Wie denn auch anders? Jeder Weg in dieser Welt führt über Berg und Tal.

Nach dem Tod ihres Gründers war es für die Redaktion wahrhaftig nicht leicht, der auf ihr lastenden Verantwortung gerecht zu werden. Wenn sie eine Meinung vertrat, die nicht unwidersprochen bleiben konnte oder durfte, fand sie sich nicht von der Ehrfurcht gebietenden unantastbaren Autorität geschützt, die einem Mann wie Friedrich Funder, reich an Jahren und Erfolgen, gerne gezollt wird. Die Unzufriedenen dachten vielleicht auch nicht daran, daß kein Nachfolger das schlechthin getreue Abbild seines Vorgängers und Vorbildes zu werden und zu sein vermag. Auch nicht daran, daß Wert und Wirkung einer Zeitung sich nicht vorzüglich in dem und jenem Artikel manifestieren, der weithin oder gar allgemein Anerkennung oder Widerspruch erfährt, sondern vor allem im redlichen Bemühen der Redaktion, beharrlich das ihr gestellte Ziel zu verfolgen: der Kirche, dem Vaterland, dem Frieden Christi in der Welt zu dienen. Und dieses mutige Bestreben ist wohl aus jeder Nummer des Blattes ersichtlich gewesen. Doch wer sich beauftragt weiß und entschlossen hat, auch neuen Erkenntnissen und Bewegungen zum Durchbruch zu verhelfen, muß und wird auch wissen, daß er sich mit dem ebenso entschlossenen Widerstand jener auseinanderzusetzen hat, die sich verpflichtet fühlen, das ihnen für immer und unveränderlich gültige Alte zu verteidigen, die sich nicht damit begnügen wollen, der Vergangenheit das dieser zustehende Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Zukunft eingeräumt zu sehen.

Als derzeitiger Vorsitzender des „Verbandes katholischer Publizisten Österreichs“ und nicht zuletzt als getreuer Leser der „Furche“ wünsche ich ihrem Verlag, ihren Herausgebern und ihrer Redaktion der Segen Gottes für noch viele Jahre unverdrossener, erfolgreicher Arbeil im Sinne ihres Gründers und danke ihnen von ganzem Herzen dafür, daP. sie gewissenhafte Vollstrecker eines Testamentes gewesen sind und bleiben wollen, das alle Guten ir diesem Lande zu glücklichen Erben einsetzte.

DR. KARL MARIA STEPAN Präsident des Verbandes katholischer Publizisten Österreichs

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