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Zwei Briefe

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Kein Thema hat im Schaffen Moritz, von Schwinds eine größere Rolle gespielt als der Sängerkrieg auf der Wartburg. Es war daher, ein guter Gedanke Conrad H ö f e r s, dem Ringen Schwinds mit diesem Stoff eine Monographie1 zu widmen, die uns das Übermaß an Zeit und Mühe erkennen läßt, das der Meister für dieses Thema aufgewendet hat. Es war ein weiter Weg vom Aquarell, das er für Karlsruhe schuf, über das Frankfurter Ölbild — eine Ölskizze dazu besitzt die Albertina — bis zum Freskogemälde auf der Wartburg. Außer diesen drei wichtigsten Stationen gibt es aber noch zahlreiche andere auf diesem Weg, den uns nun Hofer als Betrachter der Bilder führt, indem er sie in fast lückenloser Zusammenfassung auf 5 2 schönen Bildtafeln, chronologisch gereiht, vor uns ausbreitet.

In Anbetracht der großen Wichtigkeit des Sängerkriegthemas für das Schaffen Schwinds ist es wohl zu begreifen, daß Conrad Höfer% unter anderem auch zu ergründen strebt, wodurch der Meister auf diesen Stoff hingelenkt worden ist, aus welchen Quellen er ihn kennengelemt hat, und insbesondere auch, wieso er dazu gekommen ist, Klingsor als den übermächtigen Sieger über Wolfram von Eschenbach anzusehen, während dieser nach der herrschenden Auffassung des Sagenstoffes unbesiegt blieb.

Bei der Beantwortung dieser Fragen mußte sich Höfer, da ihm ausreichende Quellen über die Tatsachen nicht zur Verfügung standen, auf Vermutungen und Kombinationen stützen. Dabei ist er trotz Gründlichkeit und großem Wissen zu einem Ergebnis gelangt, das die in den folgenden Absätzen hier zum erstenmal veröffentlichten zwei Briefe Moritz von Schwinds als falsch erweisen, nämlich zum Ergebnis, dieser sei schon viele Jahre, bevor er 1837 sein erstes Sängerkriegsbild entwarf, durch mannigfaltige Einflüsse auf den Stoff hingelenkt worden und habe sich schon lange mit dem Plan zu seinem Bild befaßt. Ludwig Bechstein, dessen Bekanntschaft er 1830 in München gemacht hat, habe ihm die Ett- müllersche Ausgabe des mittelhochdeutschen Sängerkriegsgedichtes in die Hände gespielt und bei dessen Studium sei Schwind der Irrtum unterlaufen, einen Ausspruch des tugendhaften Schreibers, der in der Ettmüller- schen Ausgabe nicht ausdrücklich diesem zugeschrieben ist, Wolfram von Eschenbach in den Mund zu legen und als das Eingeständnis seiner Niederlage aufzufassen.

Aber hat nicht auch Anton von Spaun, einer seiner vertrautesten Freunde aus glücklichen Wiener Jugendjahren, in seinem Buch über Heinrich von Ofterdingen 2 die gleiche Auffassung vertreten? Wäre es da nicht naheliegend, vor allem an eine Beeinflussung Schwinds durch diesen Freund zu denken? Höfer bat diese Möglichkeit keineswegs übersehen. Aber die Innigkeit, der Beziehungen zwischen den beiden Freunden zu wenig bedenkend, hat er nur eine Beeinflussung durch das Buch Anton von Spauns in Betracht gezogen und hält, da dieses erst 1840 erschienen ist, also zwei oder drei Jahre nach Schwinds erster Arbeit am Sängerkrieg, nur eine nachträgliche Einflußnahme des Jugendfreundes, einen „Beitrag zur Festigung bereits gewonnener Anschauung”, für möglich.

Wenn wir nun mit diesen Ergebnissen eingehender Überlegungen Hofers den Inhalt der nachfolgenden Briefe vergleichen, die Schwind an Anton von Spaun nach Linz gerichtet hat, so können wir daraus wohl vor allem wieder einmal die Lehre ziehen, daß Urteile auf Grund von Indizienbeweisen wie auf gerichtlichem so auch auf geschichtlichem Gebiet größter Vorsicht bedürfen. Die beiden Briefe haben, soweit sie sich auf den Sängerkrieg beziehen, folgenden Wortlaut:

Wien, 2. November 1837.

Liebster Freund Antonio!

Glücklich in Wien angekommen, schlecht logiert, ziemlich unangenehm angesprochen, aber, Gott sei Dank, bereits an der Arbeit, habe ich heute den Brief wegen der badischen Arbeit bekommen, wie einstens in der Spixiade anfangend mit dringender Heimlichkeitsermahnung, nachdem es meine Freunde bereits wissen. Man verlangt von mir eine Komposition des Wartburgfestes, welches 26 Fuß lang und 16 hoch gemalt werden soll4. Nun weiß ich von dieser Teufelei gar nichts und bitte flehentlichst um Anweisung, wo davon mit der geringsten Mühe etwas zu erfahren ist. Ich will grün und gelb werden, wenn ich H. v. Ofterdmgen nicht weiß und rot male. Wenn Du selbst Zeit hättest, ein Verzeichnis der namhaftesten anwesenden Personen zu verfassen, und zwar alsobald, wäre mir freilich am besten geholfen. In 6 Wochen soll ich einschicken … Empfiehl mich allerseits und strenge Dich etwas an, dem guten Gedanken des Großherzogs auf die Beine zu helfen! Per omnia saecula saeculorum.

Wien, 13. Dezember 1837.

Lieber Freund!

Ich war mit dem Wartburgkrieg in solcher Not und Verzweiflung, daß ich Dir gar nichts davon schreiben wollte. Auf der ganzen Welt wußte ich mir nichts Dümmeres und Langweiligeres als das Gequängel dieser Leute, und mehr als einmal habe ich Herrn Heinrich von Ofterdingen und das ganze Gerstl in den Abgrund der Hölle verwünscht. Das nutzt aber alles nichts, gemacht muß es werden und es geht jetzt vortrefflich. Alle Tage mache ich so einen Kerl fertig und so habe ich bereits ihrer sechse, während das übrige Papier noch ganz weiß ist. Ich habe das ganz sichere Gefühl, daß ich zu Ende komme, obwohl ich nur ganz im allgemeinen und beiläufig weiß, wie ich diesen großmächtigen Bogen bevölkern werde. Eine Pause werde ich nach Linz schicken.

Von Karlsruhe habe ich einen sehr erbaulichen und angenehmen Brief von Oberbaurat Hübsch, Großvezier in Bausachen. Die werden mich wahrscheinlich verschlingen, und so hätten wir jetzt die Anstellung vor Augen, die wir ein paar Jahre früher so gut hätten brauchen können5. Solche Bilder wie der Wartburgkrieg kommen viere in das Stiegenhaus4, das läßt sich hören. H :ute habe ich geantwortet und vor allem Auskunft verlangt, ob der Großherzog viel dreinredet, in Ein von Schwind illustriertes satirisches Märchengedicht, unter dessen Helden Spix Anton von Spauns Bruder Max zu verstehen ist.

Aus diesen beiden Briefen geht eindeutig hervor, daß Schwind erst Ende 1837 durch den in Aussicht stehenden Auftrag aus Karlsruhe auf das Thema vom Sängerkrieg hingeführt wurde, sich durch Anton von Spaun darüber unterrichten ließ und — zunächst wenigstens — keinen Gefallen daran fand. Aber indem diese Feststellungen die Antwort Hofers auf seine Frage nach den ursprünglichen Anregungen und Einflüssen richtigstellen, werfen sie gleichzeitig eine neue Frage auf: Wie konnte sich ein Thema, das dem Künstler gegen seine Neigung von außen aufgezwungen wurde, in der Folge einen so gewaltigen Anteil an seinem Schaffen erobern?

Tatsache ist, daß Schwind beide späteren Hauptarbeiten auf Bestellung ausgeführt hat, sowohl das Ölbild für Frankfurt am Main als auch das Wartburgfresko. Alles, was er sonst noch zum Thema beigesteuert hat, sind nur Vorarbeiten oder Nebenprodukte. Aber ebenso scheint festzustehen, daß von den drei Themen, die Schwind selbst dem Städelschen Institut in Frankfurt zur Auswahl vorgeschlagen hat, eines der Sängerkrieg war, und wenn er auch am 1. Juli 1844 seinem Freund Genelli schreibt, der „Rhein wäre ihm lieber gewesen, so schreibt er doch andererseits auch im selben Brief: „Den Sängerkrieg freut mich zu machen, und so wird’s gehen.” Irgendwie ist also der Meister dem Thema später doch wohl näher gekommen. Und warum auch nicht? Wenn er auch noch 1855 die Handlung an und für sich „ungeheuer roh und gewalttätig” nennt, so gibt es doch in ihr zumindest zwei Gestalten, die seinem romantischen Gemüt Zusagen mußten: die Landgräfin, die den im Wettkampf unterlegenen Heinrich von Ofterdingen vor dem Henker schützt, und Klingsor, der ihn durch seinen Sieg über Wolfram von Eschenbach endgültig rettet. Klingsor bringt jenes Element des Wunderbaren und Märchenhaften in die Handlung, das dem Meister einen geschichtlichen oder sagenhaften Stoff erst schmackhaft machte. Aber wir können wohl Conrad Höfer zustimmen, wenn er darin einen Fehler sieht, daß Schwind den Magier — besonders auf dem Wartburgfresko — wie einen bösen Dämon erscheinen läßt trad dennoch als Sieger über den so edel dargestellten Parzivaldichter auffaßt. Mochte es sich auch um die Rettung Heinrichs von Ofterdingen handeln, es sah doch fast wie ein Sieg des Bösen aus, was Schwind darstellen zu sollen glaubte, und das lag ihm nicht.

Es mag dies wesentlich dazu beigefragen haben, daß der Stoff nie seinem Herzen nahe kam, daß er sich aber andererseits, gerade weil er selbst von keiner seiner Darstellungen restlos befriedigt wurde, immer wieder einem neuen schweren und mitunter qualvollen Ringen mit dem Stoff unterwarf, sooft ihm ein Auftrag zu dessen neuerlicher Gestaltung angeboten wurde.

Den 20jährigen Bemühungen des Meisters sind Darstellungen des Sängerkrieges zu verdanken, die zu den Kostbarkeiten deutschen Kunstbesitzes zählen. Aber es ist nicht zu bezweifeln, daß die Ernte aus dem gleichen Aufwand an Zeit und Mühe noch viel reicher und schöner ausgefallen wäre, hätte sich der Meister mit denjenigen Themen befassen können, die zu gestalten sein Herz ihn drängte. Wir wären dann vielleicht um einen herrlichen Märchenzyklus reicher und gewiß um einige musikalische Illustrationen und „lyrische” Bilder voll Poesie und Behagen.

1 Der Sängerkrieg auf der Wartburg. Eine Studie zur Geschichte und Deutung des Schwind- schen Bildes von Conrad Höfer. Verlag von Gustav Fischer, Jena 1942.

2 Heinrich von Ofterdingen und das Nibelungenlied. Ein Versuch, den Dichter und das Epos für Österreich zu vindizieren. Von Anton Ritter von Spaun. Linz, bei Qu’rin Haslinger. 1840.

13 Der Plan kam in dieser Form nicht zur Ausführung. In das Stiegenhaus der Kunsthalle malte Sdiwind „Die Einweihung des Freiburger Münsters” und noch einige kleinere Fresken, während vom Sängerkrieg Karlsruhe nur ein Aquarell von 48 cm Höhe und 75 /2 cm Breite besitzt.

14 Wegen seiner Liebe zur Linzerin Therese von Hartmann, deren Eltern seinen Antrag abgelehnt hatten, da ihnen die Existenz eines frei schaffenden Künstlers zu unsicher erschien.

welchem Falle ich verspreche, gleich davonzulaufen.

Ich komme wenig in die Stadt und lebe eigentlich, als wäre ich gar nicht hier. Verdruß gibt es genug, ich bin aber so vertieft in die Hosen und Mäntel meiner singenden Herrschaften, daß es ziemlich an mir hinunterlauft … Danke sehr für Deine sehr ersprießlichen Andeutungen und möchte noch wissen, ob das Wappen der Ofterdinge sich nicht vorfindet. Empfiehl midi allerseits und leb recht wohl!

Dein Freund Schwind.

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