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Zwei Männer, zwei Welten

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Wenn man die Kommentare liest, die die ehemaligen Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Franz Olah und sein Nachfolger Anton Benya zu aktuellen Fragen abgeben, merkt man, daß zwischen den beiden Männern, die altersmäßig gar nicht so weit voneinander entfernt sind, Welten liegen.

Während Franz Olah, der vergangene Woche seinen 85. Geburtstag feierte und aus diesem Anlaß endlich seine schon lang angekündigten Erinnerungen vorlegte, mit Kritik an den gegenwärtigen Zuständen in Staat, Partei und Gewerkschaft nicht spart, handelt es sich in der Schau Anton Benyas insgesamt nur um kleinere Betriebsunfälle, die sein Vertrauen in die Stabilität des politischen Systems nicht erschüttern.

Auch das Debakel des Konsum vermag Anton Benya nicht aus der Fassung zu bringen, man kann nicht einmal sagen, daß er die Welt nicht mehr versteht, für ihn ist sie im großen und ganzen noch heil.

Nun liegt es nahe, diese Unterschiedlichkeit der Standpunkte zweier in Pension befindlicher Spitzenfunktionäre aus den verschiedenen Schicksalen, die beide erlitten haben, erklären: mußte sich Franz Olah mit Schimpf und Schande davonjagen und aus der SPÖ, in der er großgeworden war und zu deren Größe er ein gerüttelt Maß beitrug, ausschließen lassen, so wurde Anton Benya, lange Zeit auch Nationalratspräsident, mit Glanz und Gloria, in Frieden und Ehren verabschiedet.

Spricht aus Olah nur das Ressentiment über den nicht verkrafteten Sturz, aus Benya dagegen die Genugtuung des Erfolgreichen und Unangefochtenen?

Doch vielleicht verhält es sich umgekehrt: vielleicht ist Olah deshalb gestürzt worden, weil er im Guten wie im Bösen den Rahmen des Bestehenden gesprengt hat und seiner Zeit voraus war. Benya dagegen paßte sehr gut in diesen Rahmen, ja er war ein nicht unwesentlicher Teil der Umrahmung und Einfriedung des politischen Systems.

Nur daß dieser Rahmen seit der Zwentendorf-Volksabstimmung 1978 und den Vorgängen in der Hainburger Au 1984 mehr und mehr in Brüche gegangen ist und einer neuen Wirklichkeit Platz gemacht hat, die Benya bis heute nicht wahrhaben will, während Olah bei allen Fehlern, die ihm unterlaufen sind, weitblickend vorausdachte und erst einen Bruno Kreisky ermöglichte.

Man darf annehmen, daß in historischer Sicht der gescheiterte Franz Olah den interessanteren und bedeutenderen Platz einnehmen wird, während Anton Benya bei allen Verdiensten, die er sich erworben hat, als einer, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat oder erkennen wollte, mit einem minderen Platz vorliebnehmen muß.

So relativieren sich eben Erfolg und Mißerfolg in rückblickender Betrachtung.

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