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Wieviele (T)Akte noch?
Endlose Arien wurden für den Bau eines Musiktheaters in Linz bereits gesungen. Aber die Politiker zögern immer noch.
Endlose Arien wurden für den Bau eines Musiktheaters in Linz bereits gesungen. Aber die Politiker zögern immer noch.
Seit der Eröffnung des heurigen Internationalen Brucknerfestes durch
Bundespräsident Thomas Klestil weiß man es genau: Linz ist eine Kulturstadt, leidet aber schon lange an einem seltsamen Theaterphänomen. Linz hat ein ehrwürdiges Landestheater, das anno 2003 zweihundert (!) Jahre alt wird, aber kein Musiktheater. Gemeint ist eine Spielstätte für Oper, Operette, Musical und Ballett, ein repräsentatives Haus, in dem Aufführungen von traditionellen und zukünftigen Werken künstlerisch einwandfrei möglich und wirtschaftlich vertretbar sind. Linz und damit Oberösterreich, allein durch die ideale Lage am Nord-Süd- und Ost-West-Kreuzungs- punkt der Nachbarstaaten, hat aber gerade jetzt eine Verpflichtung gegenüber der Europäischen Union. Für diese soll Linz mit einem Einzugsgebiet von bereits über einer Million Menschen an der Jahrtausend wende kulturell gerüstet sein.
Unmöglich, daß sich die Politiker dessen nicht bewußt sind. Und doch ist das Linzer Musiktheater (trotz stark inszenierten Einsatzes von Landeskulturrat Josef Pühringer) noch immer ein ziemlich zäher Brocken. Der 1,3 Milliarden Schilling erfordernde Bau scheitert nicht etwa an der Unfinanzierbarkeit, sondern an der Angst vor der eigenen Courage der Parteien zu einer klaren Ja-Entscheidung. Das Land Oberösterreich als Bauherr verharrt ebenso in feiger Verzögerungsstellung wie die Stadt Linz als wahrscheinlicher Grundeigentümer.
Dabei füllen die Hilfeleistungen eines vor über zehn Jahren auf persönliche Initiative von Landeshauptmann Josef Ratzenböck gegründeten Vereins mit inzwischen 4.500 Mitgliedern dicke Bände, wurden von den „Freunden des Linzer Musiktheaters“ (so der „freundliche“ Vereinsname) bereits endlose Arien für ein neues Haus gesungen. Eine Unterschriftensammlung, Aufbereitung von Meinungen in der Öffentlichkeit, Abbau von Informationsmängeln, Veranlassung von zahlreichen Studienanfertigungen sind nur unvollständige summarische Aufzählungen der aus purem Idealismus von Kulturfachleuten geleisteten Vereinsarbeit, deren Früchte mehr als langsam reifen. Weil die Argumente manchmal kaum zu glauben sind.
UMWEGRENTABIUTÄT
Eine von der Wirtschaftsuniversität Wien über die Umwegrentabilität des Landestheaters Linz von Professor Klaus Arnold erstellte Studie weist zum Beispiel eindeutig nach, daß Kulturinvestitionen zu den produktivsten volkswirtschaftlichen Ausgaben zählen. Konkret, daß für jeden Schilling des jährlich mit rund 214 Millionen Schilling Subvention geförderten Linzer Landestheaters 3,10 Schilling der städtischen Wirtschaft wieder zufließen.
Das gute Geschäft mit der Kunst entdeckte und präsentierte auch Universitätsprofessor Dekan Friedrich Schneider: „Für jeden Schilling, den der Staat durch Subventionen und Zuschüsse in die Kunst investiert, bekommt dieser 2,50 Schilling in Form von Steuern und Sozialversicherungen zurück“.
Daß Kunstförderung eine absolut lohnende Investition ist, zeigt sich auch am Beispiel von drei Linzer Festivals 1990: damals - und bis heute sicher nicht weniger - betrugen die Ausgaben für das Brucknerfest 12,04, für die Klangwolke 29,84 und für die ars electronica 21,41 Millionen Schilling, wonach insgesamt also stolze 63,29 Millionen Schilling wirtschaftlich ausgabenwirksam wurden. Kunst und Kultur sind - so unglaublich dies klingt — ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.
Ein mühsames Suchen und Abwägen ergab sich weiters bei der Standortfrage. Oder wie sagte beim Brucknerfest Landeshauptmann Ratzenböck: „Wie weiland Odysseus wandert unser Theäterneu- bau durch die Stadt“, „Herr Bürgermeister, werfen wir das Los, ob Nord oder Süd, beides ist richtig.“ In der gegenständlichen Studie haben sich nämlich die beiden Donauufer Nord und Süd (siehe Foto) als die besten unter den fünf untersuchten Standorten herausgestellt. Die Jahrhundertchance eines Theaters am Strom, vermutlich eine europäische Einmaligkeit, bietet sich geradezu von selbst an.
Neuerlich spielt bei dem Theater — hoffentlich mit einem endgültigen Finale - ein 40köpfiges Expertenkomitee mit, dem auch Staats- opemdirektor Ian Holender und Nikolaus Harnoncourt angehören. Das Gutachten der Metiergewaltigen, etwa Linz braucht kein Allzweckhaus, sondern eben ein Musiktheater mit spezifisch akustischen Verhältnissen (Harnoncourt) soll die Entscheidung vorantreiben. Die ersten Gesprächsresultate waren durchaus positiv und vielversprechend: Das Land Oberösterreich muß gegenüber der Stadt Linz den Standortwunsch konkretisieren, bei der zweiten Runde im Oktober wird strikte Einigung unter den Politikern gefordert, werden diese auf ein definitives Ja oder Nein fixiert.
Wieviele Akte braucht es noch? Die Kulturstadt Linz darf nicht mehr länger warten. Zu bitter klingen Otto Schenks harte, aber richtige Worte in den Ohren: „Eine Stadt, die sich ein Opernhaus abschaffen läßt, tut einen großen Schritt in Richtung edeutungslosigkeit und Kulturwüste.“
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